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BORNHAK, Das Recht des Königs zum Steuererlass in Preussen.
Im Archiv f. öffentl. Recht Bd. VI, S. 311 ff. 1891.
G. MEYER, Die Verhandlungen des preussischen Abgeord-
netenhauses über den Erlass von Stempelsteuern für Fideikommisse.
In den Neuen Heidelb. Jahrbüchern Bd. I, S. 336 ff. 1891.
I.
Dass Gnadenakte auf dem Gebiete der staatlichen Vermögens-
verwaltung ein unabweisliches Bedürfniss sind, kann ernstlich nicht
in Zweifel gezogen werden. Der Fiskus befindet sich in dieser
Beziehung in keiner anderen Lage wie jeder Herr eines Privat-
vermögens, jede Actiengesellschaft, jede Gemeinde, jeder Commu-
nalverband. Ein Privater, der rücksichtslos alle vermögensrecht-
lichen Ansprüche durchführen, für jeden ihm aus Versehen
zugefügten Schaden Ersatz, für jede Leistung eine Gegenleistung
fordern würde, würde sich nicht bloss mit den Anforderungen der
Menschlichkeit und des Anstandes in Widerspruch setzen, sondern
er würde auch unklug handeln; denn er würde häufig durch sein
Verhalten Nachtheile für sich herbeiführen, die ausser Verhältniss
mit dem eingetriebenen Geldbetrage stehen. Ganz ähnliche
Rücksichten sind auch bei der Verwaltung eines Öffentlichen Ver-
mögens zu nehmen. Keine solche Verwaltung kann ohne Ein-
nahmeverzichte, Rückerstattungen und freiwillige Zuwendungen
aus Billigkeitsrücksichten geführt werden, wenn sie nicht durch
unnütze Härte das öffentliche Gewissen, das ethische Gefühl ver-
letzen und die Durchführung ihrer Aufgaben selbst erschweren
soll. In jeder grösseren Stadtverwaltung, in der Verwaltung jedes
grossen industriellen, commerziellen oder landwirthschaftlichen
Unternehmens hat man täglich Gelegenheit, Beispiele hierfür
kennen zu lernen. Dasselbe gilt vom Staate. Auch eine weit
getriebene Fiskalität findet an gewissen thatsächlichen Umständen
ihre Schranken, deren Ueberschreitung als unerträgliche Härte,
als Missbrauch des formellen Rechts, als Bedrückung des Armen