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Mit Rücksicht auf diese staatsrechtlichen Einrichtungen zer-
fallen nämlich die Gnadenakte in mehrere Kategorien. Sie sind ent-
weder Ausgabenbewilligungen (Schenkungen) oder Einnahme-
verzichte und die letzteren zerfallen wieder in zwei Arten:
Verzichte auf Ansprüche aus privatrechtlichen Titeln und
Erlasse von Leistungen öffentlich-rechtlicher Natur (Steuern,
Abgaben, Gebühren). Es wird im Folgenden dargethan werden,
dass die Freigebigkeiten, welche in Ausgaben, und diejenigen,
welche in Einnahmeverzichten bestehen, etatsrechtlich einer
verschiedenen Behandlung unterliegen; während sich wieder die
Verzichte auf privatrechtliche Ansprüche und die Verzichte auf
öffentliche Leistungen der Gesetzgebung gegenüber verschieden
verhalten.
Wegen dieser Verschiedenheit in der rechtlichen Behandlung
ist es von Wichtigkeit, den Gegensatz zwischen denjenigen staat-
lichen Freigebigkeiten, welche als Ausgaben zu behandeln sind,
und denjenigen, welche als Verminderungen der Einnahmen anzu-
sehen sind, vor einer unrichtigen Auffassung sicher zu stellen,
die sehr nahe liegt und weit verbreitet ist. Das unterscheidende
Merkmal wird nämlich gewöhnlich darin gesehen, ob eine Zahlung
aus einer fiskalischen Kasse oder die Wiederaufgebung eines vom
Fiskus bereits erworbenen Rechts zur Verwirklichung des Gnaden-
aktes erforderlich ist oder nicht’). Dies kann ich aber nicht als
ausschlaggebend anerkennen. Denn wenn diese Unterscheidung
auch civilrechtlich zutreffend ist und für die Beurtheilung
privatrechtlicher Verhältnisse in Betracht kommen kann, so handelt
es sich doch hier nicht um die civilistische Oonstruktion eines
Vorgangs, sondern um das Verhältniss gewisser staatlicher Akte
zur etatsmässigen Ordnung der Staatswirthschaft und deshalb
sind finanzrechtlich die Begriffe der Ausgabe und der Minder-
5) Vgl. namentlich Joöt, Annalen 1888, S. 825f. Ferner ArnprT 2.2.0.
S. 610 und Annalen 1891, S. 232. Auch in der Praxis der Oberrrechnungs-
kammer macht sich dieser Gesichtspunkt häufig geltend.