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IH.
Die Gnadenakte, welche im Sinne des Finanzrechts Ausgaben
darstellen, d. h. Geschenke, Beihülfen, Unterstützungen, Gratifika-
tionen, Prämien und andere Belohnungen, bieten in keiner Be-
ziehung rechtliche Schwierigkeiten dar.
Der Gesetzgebung gegenüber verhalten sie sich indifferent;
sie sind gesetzlich weder vorgeschrieben noch verboten; der Fall
einer verbotenen Schenkung (ob turpem causam) ist thatsächlich
vollkommen ausgeschlossen.
Dagegen zieht das Budgetrecht in dieser Beziehung dem
(Gnadenrecht feste Schranken. Denn der Grundsatz des Art. 99
der Verf.-Urk., dass alle Ausgaben des Staates für jedes Jahr
im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht
werden müssen, findet auch auf Freigebigkeiten Anwendung.
Das Bedürfniss zu solchen Ausgaben, dessen Vorhandensein un-
bestreitbar ist, wird bei der Aufstellung des Etats berücksichtigt
und der Etat enthält sehr zahlreiche Fonds für diese Zwecke.
Diese Fonds zerfallen in zwei Arten: entweder stehen sie zur
Verfügung der Behörden oder zur Disposition des Königs.
Nur die letzteren heissen Gnadenfonds. Fonds der ersten Art
finden sich in den Etats fast aller Verwaltungszweige zum Zweck
der Unterstützung von Beamten, oder von ausgeschiedenen Be-
amten oder von Wittwen und Waisen von Beamten, oder von
anderen, bei einer bestimmten Verwaltung beschäftigten oder be-
schäftigt gewesenen Personen; ferner zu Prämien, zur Bewilligung
unverzinslicher Darlehen für gewisse, näher bezeichnete Zwecke,
für Wohlthätigkeitszwecke (namentlich im Etat des Ministeriums
des Innern), für Reiseunterstützungen u. S. w.
Gnadenfonds, die im Etat der Finanzverwaltung ihren
Platz haben, giebt es zwei, den allgemeinen Dispositionsfonds
zu Gnadenbewilligungen aller Art?) und ausserdem noch einen
°) Im Etat für 1891/92 Ausg. Kapit. 63 Tit, 1 im Betrage von 1500 000 M.