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genügt es, auf & 9 Abs. 1 der Instruktion vom 18. Dezember
1824 zu verweisen, woselbst es heisst:
„Erlasse von Steuern, Domänen- und anderen Gefällen,
sowie an Pachtgeldern im Wege der Gnade dürfen nur auf
Unsere besondere Genehmigung Statt finden.“
Es frägt sich daher, ob dieses Recht durch die Verfassung
— denn ein anderes Gesetz, welches dieses Recht betrifft, ist
nicht vorhanden — aufgehoben worden oder unangetastet geblieben
ist. Darüber besteht eine Verschiedenheit der Ansichten.
1) Gewichtige Stimmen haben sich dafür erklärt, dass die
Fortdauer des Gnadenrechts mit dem Art. 62 der Preuss. Verf.-
Urk. nicht vereinbar se. Da zu jedem Gesetz die Ueberein-
stimmung des Königs und beider Kammern erforderlich ist und
die gesetzgebende Gewalt vom König nur gemeinschaftlich mit
den beiden Häusern des Landtages ausgeübt werden kann, so
könne der König — von dem hier niemals in Betracht kommen-
den Falle des Art. 63 der Verf.-Urk. abgesehen — das Gesetz
allein nicht ausser Kraft setzen, weder allgemein, noch für einen
einzelnen Fall. Das Dispensationsrecht, welches in der abso-
luten Monarchie dem Monarchen ohne ausdrückliche Anerkennung
von selbst: zusteht, weil es in dem in seiner Hand vereinigten
Inbegriff der Staatsgewalt enthalten ist, könne ihm im konstitutio-
nellen Staate nur insoweit zustehen, als es ihm durch die Ver-
fassung ausdrücklich übertragen sei. Die preussische Verfassung
enthalte keine solche Ausnahme von dem im Art. 62 sanktio-
nirten Prinzip und deshalb habe der König von Preussen nicht
die rechtliche Befugniss, von der Befolgung von Gesetzen zu
dispensiren.
Dies ist m. E. vollkommen richtig und die weit überwiegende
Mehrzahl aller Staatsrechtslehrer von Bedeutung ist darüber einig.
Um aber aus diesem wichtigen Obersatz den Schluss herzuleiten,
dass der gnadenweise Erlass von Steuern und Gebühren dem
Könige nicht zustehe, muss man zuvor prüfen, ob denn das Gnaden-