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der Rechtsordnung. Der objektive Rechtssatz wird dadurch zu
meinem Rechte, daß der in ihm zum Ausdruck kommende
Wille des Staates zu einem bestimmten eigenen Verhalten des
Staates, daß das Funktionieren des Staats- und Rechtsapparates
durch meinen Individualwillen bedingt ist, durch mich in
Funktion gesetzt wird. Mit anderen Worten, daß das öffent-
liche Interesse an das private Interesse gebunden wird. Ein
Wahlrecht gewährt die Rechtsordnung dadurch, daß der Staat
in einem Rechtssatz erklärt (und dadurch verpflichtet wird),
durch bestimmte Behörden den Stimmzettel einer bestimmt
qualifizierten Person (die dadurch berechtigt wird) in Empfang
zu nehmen und in bestimmter Weise zu behandeln (alle Stimm-
zettel zu zählen und den mit Majorität bezeichneten als Ab-
geordneten anzuerkennen usw.). Diese Pflicht des Staates ist
darum ein subjektives Recht des Wählers, weil nur durch seinen
Willensakt: Abgabe des Stimmzettels, die Handlung des Staates,
die zur Bestimmung des Abgeordneten führt, bedingt und aus-
gelöst wird. Das Interesse des Staates, das öffentliche Interesse,
ein Organ (den Abgeordneten) zu bekommen, ist gebunden
an das private Interesse, das der Einzelne daran hat, sich
am Wahlakt zu beteiligen. Und wenn Wahlpflicht statuiert ist ?
Das Nichtwählen des Einzelnen mit Strafe bedroht? Ist es nicht
das private Interesse, das der Einzelne an der Vermeidung der
Strafe hat, das diese Pflicht konstituiert ? Ist wegen dieser Ver-
koppelung des öffentlichen mit dem Privatrechte, das übrigens
technisch der Verknüpfung beider Elemente im sog. Privat-
rechtssatz völlig analog ist, der Wahlrechtssatz, die Wahl-
pflicht oder das Wahlrecht privater Natur? Und doch
wäre ein solcher Schluß genau so berechtigt, wie bei dem
Rechtssatz, der die Pflicht des Depositars und jenem, der das
Recht des Darlehensgläubigers statuiert! Und das gleiche im
Verwaltungsrecht! Der Rechtssatz, der den Staat verpflichtet,
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXI. 1. 6