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Gültigkeit der gnadenweisen Steuererlasse feststeht, kann doch
zugleich die Pflicht rechtlich begründet sein, alle einzelnen Fälle
dieser Art dem Landtage behufs Entlastung der Staatsregierung
mitzutheilen. Nach dem Art. 104 Abs. 2 werden die Rechnungen
über den Staatshaushalts-Etat zunächst von der Oberrechnungs-
kammer geprüft und festgestellt und der Landtag erhält die
allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres
mit den Bemerkungen der Öberrechnungskammer vorgelegt.
Die einzelnen Kassenrechnungen werden dem Landtage demnach
nicht vorgelegt und von ihm nicht geprüft, soweit nicht die Ober-
rechnungskammer sie zum Gegenstande von Bemerkungen gemacht
hat. Die Pflicht der Oberrechnungskammer, Bemerkungen zu
machen, ist daher die rechtliche und faktische Vorbedingung für
die Vorlegung der einzelnen Position an den Landtag zur Prüfung
und Entlastung ?°).
Die hierfür massgebende Gesetzesvorschrift enthält 8 18 des
Gesetzes vom 27. März 1872. Dieses Gesetz fasst die von der
Oberrechnungskammer aufzustellenden und von der Staatsregierung
dem Landtage vorzulegenden Bemerkungen in drei Kategorien
zusammen. Die erste dieser drei Kategorien bezieht sich lediglich
auf die kalkulatorische Uebereinstimmung der allgemeinen Rech-
nung mit den revidirten Kassenrechnungen; die letzte betrifft
Etatsüberschreitungen und ausseretatsmässige Ausgaben, zu welchen
die Genehmigung des Landtags noch nicht beigebracht ist; sie
bezieht sich also nicht auf Einnahmeverzichte. Es kommt also
allein die Ziffer 2 des $ 18 in Betracht. Unter dieser Ziffer
wird der Oberrechnungskammer die Pflicht auferlegt, hinsichtlich
der Vereinnahmung und Erhebung sowie der Verausgabung
und Verwendung von Staatsgeldern (oder bei der Erwerbung,
Benutzung oder Veräusserung von Staatseigenthum) zu prüfen:
1) ob Abweichungen von den Bestimmungen des gesetzlich
festgestellten Staatshaushalts-Etats oder der von der Landes-
*) Vol. Jost, Annalen 1888, S. 818.
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