— 204 —
vertretung genehmigten Titel der Spezialetats oder den mit ein-
zelnen Positionen des Etats verbundenen Bemerkungen;
2) ob Abweichungen von den Bestimmungen der auf die
Erwerbung, Benutzung oder Veräusserung von Staatseigenthum
bezüglichen Gesetze stattgefunden haben.
Die Oberrechnungskammer hat also kurz gesagt erstens die
Etatsmässigkeit und zweitens die Gesetzmässigkeit der
Einnahme- und Ausgabe-Verwaltung zu prüfen.
Aus den vorstehenden Erörterungen ergiebt sich nun, dass
gnadenweise Erlasse einzelner fiskalischer Forderungen, mögen
sie auf privatrechtlichen oder öftentlich-rechtlichen Titeln beruhen,
keine Abweichungen von den „Bestimmungen des gesetzlich fest-
gestellten Staatshaushalts-Etats“ sind, abgesehen von dem einen
Falle, dass eine solche konkrete Forderung als eigene und selb-
ständige Position ın dem Etat aufgeführt worden ist, was bei
Steuern, Abgaben und Gebühren nicht wohl vorkommen kann
und thatsächlich niemals vorkommt.
Die Etatsmässigkeit kommt also nicht in Betracht. Die Frage,
ob die Oberrechnungskammer Gnadenerlasse zu moniren habe,
reduzirt sich daher darauf, ob solche Gnadenerlasse als Ab-
weichungen von Gesetzen anzusehen sind. Unbedingt zu
verneinen ist dies hinsichtlich der auf privatrechtlichen Gründen
beruhenden Forderungen, da die „Gesetze“ es dem Berechtigten
freistellen, auf ihre Geltendmachung zu verzichten. Es bleiben
daher nur die Erlasse von Steuern, Abgaben und Gebühren
übrig, deren Erhebung in einer bestimmten Höhe gesetzlich vor-
geschrieben und den Behörden zur Pflicht gemacht ist.
Hier sind in der That beide Ansichten an und für sich
möglich. Da die Gnade im Gegensatz zum Recht steht, die gnaden-
weise Normirung eines konkreten Falles also immer von der im
Gresetz getroffenen verschieden sein muss, so kann man jeden
Gnadenakt als eine Abweichung von den Gesetzen ansehen °°).
-®6) So insbesondere JoEL a. a. O,