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wohl angezeigt, diese historische Betrachtungsweise einer kurzen
Prüfung zu unterwerfen.
Für mein Theil vermag ich die Belege, die MEJER dafür
ins Feld geführt hat, dass die Landesherrn des 16. Jahrh. das
Kirchenregiment einfach als einen Theil der Staatsgewalt oder,
um in der Sprache jener Zeit zu reden, als eine der weltlichen
Obrigkeit als solcher gebührende Aufgabe für sich in Anspruch
genommen und ihre Nachfolger es gleichfalls ausschliesslich in
diesem Sinne fortgesetzt hätten, durchaus nicht für stichhaltig
anzuerkennen. Die von MEJER — namentlich in seiner älteren
Schrift über „die Grundlagen des landesherrlichen Kirchenregiments“
— angeführten zahlreichen Kirchenordnungen des Reformations-
zeitalters gehen natürlich durchweg, wie auch von anderer Seite
nicht geleugnet wird, von der Voraussetzung aus, dass die Landes-
herrn und bezw. Stadtobrigkeiten im gegebenen Falle zum Erlass
derartiger Anordnungen berufen sind; aber über das Wie oder
Warum dieses Berufenseins geben sie keinen bestimmten klaren
Aufschluss. Wohl lassen sich darin allenfalls Spuren von allen
möglichen Ansichten des Zeitalters wiederfinden; aber einestheils
sind die bezüglichen Aeusserungen meist zu unbestimmt und selbst
widerspruchsvoll, als dass sich daraus eine bestimmte Rechtsanschau-
ung entnehmen liesse, anderntheils — und das ist die Hauptsache
— beweisen sie jedenfalls nichts für die Auffassung der Kirchen-
gewalt als eines Theils der Staatsgewalt. Dies gilt insbesondere
von der auch in den Schriften der Reformatoren öfter wieder-
kehrenden, von MEJER besonders betonten Nebeneinander- oder
Gegenüberstellung des kirchlichen Lehramts und der weltlichen
Obrigkeit. Denn was man auch für die wahre reformatorische
Auffassung des ersteren halten mag, jedenfalls liegt in der Auf-
fassung des evangelischen Liehr- oder Predigtamts als eines spe-
zifisch kirchlichen Amts implicite die Anerkennung einer selb-
ständigen, d. h. einer begrifflich vom Staate zu scheidenden, nicht
als dessen Theil aufzufassenden, äusseren kirchlichen Gemeinschaft.