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sofern sie nicht rechtswidrig erlangt wurde, auf ein dahinter-
stehendes Recht mit Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann.
Die Unterscheidung HEILINGERr’s zwischen „Gesetz“ und
„Verordnung“ (8. 31) scheint mir den Kern der Sache nicht zu
treffen. H. begründet seine Ansicht nicht näher und ignorirt
auch die bekannte Lehre LaBanp’s über den Unterschied zwischen
Gesetz und Verordnung. Ich kann es mir daher um so mehr
ersparen, auf diese Frage hier einzugehen. Der Vollständigkeit
halber sei bemerkt, dass H. im Gesetz den originären, in der
Verordnung den abgeleiteten Willen der leitenden Kreise der
Gesellschaft erblickt.
Zutreffend scheidet H. jedoch scharf das „ideale“ Recht
vom wirklichen Recht. Ich glaube nur, die deutsche Rechts-
wissenschaft vor dem Vorwurf HEILINGER’s verwahren zu müssen,
die entgegengesetzte Anschauung sei „herrschende Doktrin“ (S. 34).
Ich stimme HEILINGER auch darin bei, dass nicht immer
undnothwendig „das Interesse des Gemeinwesens mit dem wahren
Interesse des Einzelnen zusammenfalle* (S. 35). Ebenso ist es
richtig, wenn HEILINGER sich gegen die Definition des Rechts als
„allgemeinen Willens“ insofern wendet, als durchaus nicht immer
Recht sei, was alle Bewolıner eines Staates oder deren Mehrheit
wollen. Aber als massgebend für den Begriff des Rechts erachte
ich nicht den Willen der leitenden Kreise, soweit er nicht der
Wille der Staatsgewalt ist.
Im Verlauf seiner diesbezüglichen Ausführungen geht jedoch
H. zu weit, indem er behauptet, der Sieg charakterisire das
Recht. Bekanntlich bringt es die Unvollkommenheit der Menschen
und der menschlichen Einrichtungen mit sich, dass oft das Un-
recht siegt und das Recht unterliegt. Richtig ist m. E. lediglich,
dass die Staatsgewalt ihr Möglichstes dafür zu thun hat und im
modernen Staate regelmässig auch zu thun bestrebt ist, den sub-
jektiven Rechten der einzelnen Staatsangehörigen Beachtung und
Verwirklichung zu sichern.
Archiv für Öffentliches Recht. VII. 2. 16