Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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um ihrer selbst willen zum Ausdruck zu bringen? Sollte die 
Geltung des Rechts, seine Anwendung nicht der alleinige nächste 
Zweck der Rechtschaffung sein? Jeder, der nur einmal ein Ge- 
setzbuch in der Hand hatte, muss dies bejahen. 
Nach AFFOLTER ist der Zweck der Geltung des Rechts 
„Zweck der Natur“: „um ihn zu erreichen, hat sie den Keim 
zur Bildung von Anschauungen über das menschliche Verhalten 
und den Trieb zur Lösung der mit diesen Anschauungen ent- 
stehenden Konflikte in die menschliche Seele niedergelegt.“ 
Ich glaube, die Natur hat vor Allem nicht nur diesen Keim, 
sondern auch die Vernunft dem Menschen verliehen, und diese 
bürgt dafür, dass die Schaffung des Rechts dessen Geltung zum 
Zwecke hat: denn es gibt nun einmal kein menschliches Handeln 
ohne Zweck, und alles Recht ist Menschenwerk (siehe meine 
Schrift „Gewalt und Recht“ S. 148 und n. 558, vgl. auch n. 560). 
Man verzichte doch entweder ganz auf wissenschaftliche De- 
duktionen und Entwickelungen, oder aber man unterlasse es ın 
solchen, Naturtriebe und dunkle Gefühle, angeborene Anschauungen 
in’s Feld zu führen! Was sich erklären lässt, wenn man von der 
Denkkraft des Menschen und seiner Fähigkeit zielbewussten 
Handelns ausgeht, braucht doch wahrlich nicht durch mystische 
„Lriebe* und „Gefühle“, deren Existenz sich nicht erweisen, son- 
dern höchstens ahnen lässt, erklärt zu werden. 
Dass der erwachsene Kulturmensch von gewissen morali- 
schen Anschauungen beherrscht wird, soll meinerseits gewiss 
nicht geleugnet werden. Aber mit dem Wesen des Rechts 
haben diese Anschauungen nichts zu thun, wenn auch im posi- 
tiven Recht sehr häufig (aber durchaus nicht immer) die diesen 
Anschauungen entsprechenden Normen sich finden. Das Cha- 
rakteristische des Rechts ist m. E. gerade der Umstand, dass 
seine Normen verbindlich sind, gleichviel ob sie den moralischen 
Anschauungen der einzelnen an das Recht Gebundenen entsprechen 
oder nicht. Wenn man von Rechtsgefühl und Rechtsbewusstsein
	        
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