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drängen bei der ungeheuren Entwickelung des heutigen Verkehrs
die Fahrstrassen einer grossen Anzahl von Schiffen auf einen ver-
hältnissmässig engen Raum zusammen, und das durch die scharfe
Konkurrenz angefachte Streben nach Erreichung möglichster
Schnelligkeit verleitet zu rücksichtsloser Verfolgung des eigenen
Weges, unbekümmert darum, ob hierdurch Leben und Eigenthum
anderer gefährdet wird. Und auch abgesehen von den wichtigen
und viel befahrenen Verbindungen mehrerer Länder hat sich in
den letzten Jahrzehnten die See in früher ungeahnter Weise mit
Fahrzeugen belebt, und immer mehr durchkreuzen sich die von
den Schiffen der verschiedensten Nationalitäten benutzten Haupt-
und Nebenwege. So ist es erklärlich, dass sich nach und nach
das Bestreben geltend gemacht hat, auch auf diesem Gebiete der
Willkür Schranken zu setzen. Aber die in Betracht kommenden
Verhältnisse boten der Durchführung ganz besondere Schwierig-
keiten, da das gesetzgeberische Vorgehen eines Staates allein
wenig nützen konnte, ein durchgreifender Erfolg vielmehr nur zu
erzielen war, wenn sich eine grössere Anzahl der an der inter-
nationalen Schifffahrt betheiligten Völker zu übereinstimmenden
Massregeln vereinigten. Die Anregung zu einem derartigen ge-
meinsamen Vorgehen wurde, wie leicht erklärlich, von England
gegeben. Ihm schlossen sich einige kleinere norddeutsche Staaten
an und erliessen im Jahre 1853 Verordnungen darüber, dass und
welche Lichter die in ihrem Gebiete beheimatheten Schiffe wäh-
rend der Nachtzeit zu führen hätten. Im ‚Jahre 1858 wurden
dieselben durch neue, etwas ausführlichere Bestimmungen ersetzt,
welche wiederum auf einer völkerrechtlichen Verständigung be-
ruhten; sie schrieben ausser der Anbringung bestimmter Lichter
bei Nacht den Dampfschiffen den Gebrauch der Dampfpfeife als
Nebelsignal vor. Das britische Gesetz vom 29. Juli 1862 fand
sodann in einer ganzen Reihe europäischer Länder, darunter auch
Preussen, Aufnahme, wurde aber 1871 und 1880 durch neue Be-
stimmungen ersetzt. Für Deutschland ist jetzt massgebend die