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dieser Beziehung des Gesetzes zur Seeschifffahrt darf nun aber
nicht geschlossen werden, dass dasselbe auch nur für die Führer
von Seeschiffen Verbindlichkeit habe. Das Gegentheil ergibt sich
daraus, dass in Art. 9 von Lootsenfahrzeugen und in dem, an
die Stelle des aufgehobenen Art. 10 getretenen, $ 2 der Verord-
nung vom 16. Febr. 1881 von offenen Fischerfahrzeugen und
anderen offenen Booten die Rede ist. Es entsteht nunmehr aber
die Frage, für welchen Kreis von Fahrzeugen die Bestimmungen
der Verordnung massgebend sind, und ob alle Gattungen derselben
in jeder Beziehung gleich behandelt werden müssen, soweit nicht
das Gegentheil ausdrücklich vorgeschrieben ist. Die Strafsenate
des Reichsgerichts haben sich wiederholt dahin ausgesprochen,
dass der Begriff „Schiff“ in weitestem Sinne zu nehmen sei, und
dass die gesetzlichen Vorschriften desshalb auch auf Boote, Prahme
u. dgl. mit Ausschluss allein solcher unförmlicher Körper, welche
überhaupt nicht mehr als Schiff bezeichnet werden können (z. B.
Flösse), Anwendung finden müssten‘). Dieser Ansicht vermag
ich aber nicht unbedingt zuzustimmen. Zwar wird man keinen
entscheidenden Gegenbeweis daraus entnehmen können, dass einige
Bestimmungen der Verordnung, insbesondere diejenige des Art. 12
über Schallsignale bei Nebel, bei Booten nur schwer auszuführen
sind und desshalb auch thatsächlich vielfach nicht beachtet werden.
Denn es ist dem Reichsgerichte zuzugeben, dass hier kein aus-
reichender Grund für die Annahme besteht, das Gesetz habe
derartigen kleinen Fahrzeugen gegenüber auf die Befolgung seines
Gebotes verzichten wollen. Anders liegt die Sache dagegen hin-
sichtlich der Vorschriften über das Ausweichen der Schiffe. Hier
unterscheidet das Gesetz nur Segelschiffe und Dampfschiffe, gibt
also für Boote, Fähren u. s. w., die weder durch den Wind noch
durch Dampfkraft fortbewegt werden, sondern bei welchen Ruder,
Stangen u. dgl. benutzt werden, keine Bestimmungen. Da nun
auch eine analoge Anwendung der für Segelschiffe getroffenen
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e) Entscheid. d. Reichsgerichts in Strafsachen 18, 8. 89, 20, S. 372.
Archiv für öffentliches Recht. VIT. 2. 18