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pflichtung zum Ausweichen unmöglich macht. Sollte man aber
selbst Bedenken tragen, den Art. 22 auf derartige Fälle auszu-
dehnen, so würde doch der später noch zu erörternde Art. 24 zu
demselben Ergebnisse führen. Ihr Ende erreicht die Verpflichtung
zum Kurshalten, sobald das ausweichende Schiff von der einen
Seite nach der andern auswandernd gerade voraus erscheint (vom
Standpunkte des Kurshaltenden aus), weil von diesem Augenblicke
an beide frei von einander passiren können®!). Selbstverständlich
darf nur die Veränderung der Fahrt nicht nach einer Richtung
hin erfolgen, bei welcher die Gefahr des Zusammenstosses aufs
neue hervorgerufen würde.
Weiter bestimmt Art. 18, dass jedes Dampfschiff, welches sich
einem anderen in solcher Weise nähert, dass dadurch Gefahr des
Zusammenstosses entsteht, seine Fahrt mindern oder wenn nöthig
stoppen und rückwärts gehen soll. Die thatsächliche Voraussetzung
für diese Verpflichtung wird vom Gesetz in derselben Weise be-
schrieben wie in Art. 14ff. für die Verbindlichkeit zum Aus-
weichen. Da die Anordnung sich ausserdem mitten unter den
Vorschriften über das Ausweichen der Schiffe findet, so ist sie
offenbar als mit diesen in innerem Zusammenhange stehend ge-
dacht und soll dazu dienen, den Erfolg der Massregeln des aus
dem Wege gehenden Schiffes zu sichern. Andrerseits wird man
aber doch nicht von jedem ausweichenden Dampfschiffe verlangen
können, dass es stets seine Fahrt mindert. Denn Art. 18 ordnet
die von ihm aufgestellte Verpflichtung in durchaus selbständiger
Weise, nicht bloss durch eine Bezugnahme auf die vorausgegangenen
Bestimmungen. Die letzteren fassen nur die Möglichkeit eines Zu-
sammenstosses ins Auge, welche sich aus der Fortsetzung des
bisherigen Kurses ergeben würde, und es hätte wenig Sinn, wenn
diese Gefahr durch ein sachgemässes Ausweichen beseitigt wird,
auch noch eine Minderung der Fahrt zu fordern. Art. 18 setzt
— ln.
®1) Entscheid. d. Ober-Seeamts III, N. 62.