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aber wohl eine dringendere Gefahr voraus, welche durch die Be-
folgung der sonstigen gesetzlichen Vorschriften nicht aufgehoben
ist, eine Sachlage, bei welcher es zweifelhaft bleibt, ob das zum
Zwecke des Ausweichens eingeschlagene Verfahren zum Ziele
führen wird. Häufig wird es neben Art. 14ff. beobachtet werden
müssen, wenn nämlich nicht mit voller Sicherheit zu erkennen ist,
ob bei unverminderter Fahrgeschwindigkeit der Zusammenstoss
vermieden wird ®?), und der Führer des Dampfers handelt immer
auf seine Gefahr, wenn er bei einer Annäherung an ein anderes
Schiff von der Beobachtung des Art. 18 absehen zu dürfen glaubt.
In manchen Fällen liegt die Gefahr übrigens nicht so sehr in der
zu grossen Geschwindigkeit, als in sonstigen Eigenthümlichkeiten
der gegebenen Umstände, welche das Ausweichen unmöglich machen
oder wenigstens als bedenklich erscheinen lassen, z. B. wenn ein
Dampfer nicht gleichzeitig zwei in verschiedenen Richtungen
fahrenden Segelschiffen auszuweichen vermag®?) oder wenn ein
sichtbares Licht so undeutlich ist, dass man aus ihm keine
Schlüsse über die Bewegung des Gegenseglers zu ziehen vermag °*).
Hierher könnte an sich auch der Fall gerechnet werden, dass ein
Dampfer im Nebel die Signale eines anderen Schiffes hört, ohne
dasselbe sehen zu können. Es entsteht hier aber alsbald der
Zweifel, ob nicht bei dieser Sachlage allein Art. 13 massgebend
ist. Insofern beide gesetzliche Bestimmungen eine Verminderung
der Fahrt fordern, ist es ja freilich gleichgültig, ob man diese
Verpflichtung aus der einen oder aus der anderen ableitet. Aber
die praktische Wichtigkeit der Frage tritt hervor, wenn ein Zu-
sammenstoss stattgehabt hat, welcher durch Stoppen des Schiffes
vermieden worden wäre. Wendet man alsdann den Art. 18 an,
so liegt ein Verschulden des Schiffsführers vor, nicht aber wenn
#2) Eintscheid. d. Ober-Seeamts V, N. 30.
*?) Ebenda V, N. 30.
*%*) Ebenda I, N. 5. Vgl. weiter auch den ebenda VII, N. 106 mit-
getheilten Fall.