Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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innerhalb des positiven Rechts übernahm v. HoLTZEnnDorRFF im I. Bande 
an der Spitze des ganzen Werkes. M. E. kann an eine auch die Leugner 
des Völkerrechts (vielleicht) überzeugende Untersuchung dieses Problems 
nur gedacht werden auf Grund sorgfältigster Darlegung des für die Induktion 
massgebenden Materials der internationalen Thatbestände, welche thatsächlich 
eine Regelung gefunden haben, die dem Belieben und dem Einflusse politischer 
Erwägungen der betheiligten Rechtssubjekte entrückt sind. Die Eigenart 
dieser Thatbestände mag bisher vielfach dazu beigetragen häben, Kriterien 
zu übersehen, ohne welche die Existenz und Herrschaft objektiven Rechts 
nach bisher geläufigen Anschauungen über letzteres nicht gedacht werden kann. 
Andererseits darf man nicht übersehen, dass das Wesen des Rechts in seiner 
allgemeinen Kategorisirung Gegenstand von tiefgehenden Meinungsverschieden- 
heiten ist; die verschiedenen Anschauungen über dieses Problem sind vielfach 
mächtig genug, bei Lösung des völkerrechtlichen Problems als Ausgangs- 
punkte einer Deduktion verwerthet zu werden, welche den Resultaten der oben 
angedeuteten Induktion die überzeugende Kraft nehmen. Dieses missliche 
Ergebniss kann natürlich nur vermieden werden, wenn allseitig in der all- 
gemeinen Rechtslehre deduktives Vorgehen fallen gelassen wird und die mass- 
gebenden Grundbegriffe ausschliesslich auf induktivem Wege gewonnen werden. 
Dann mag man immerhin die Erwartung aussprechen, dass auch das Völker- 
rechtsproblem der Lösung zugänglich ist. Die Voraussetzungen der Lösung 
liegen aber, wie bemerkt, in der Anwendung einer gleichmässigen Methode 
(der Induktion) innerhalb der allgemeinen Rechtslehre und der Untersuchung 
jener Thatbestände, die im internationalen Leben constante Bedeutung gewonnen 
haben und sich als die dauernden Erscheinungen der internationalen Beziehungen 
darstellen. — Der mir hier angewiesene Raum für eine kurze Anzeige des um- 
fangreichen Werkes verbietet mir den kritischen Gang gegenüber den einzelnen 
Arbeiten. Es mag mir daher auch nachgesehen werden, wenn so mancher 
verdienstvollen Arbeit, welche das Werk ziert, die Anerkennung nicht zu 
Theil wird, die ich ihr doch nur durch ein sorgsames Eingehen in die Details 
zollen möchte. Ich muss mich daher darauf beschränken, den Lesern dieser 
Zeitschrift das reiche Material, welches hier verarbeitet wurde, äusserlich zu 
markiren. Nur das Eine sei hier voraufgeschickt, dass der Leser ausser mancherlei 
(in einem Sammelwerke nicht zu vermeidenden) gegensätzlichen Anschauungen 
über denselben Gegenstand, der in verschiedenen Materien wiederkehrt, in 
mancher Arbeit das Hereingreifen politischer Werthurtheile wahrnehmen wird, 
welche die Einhaltung strenger Objektivität zuweilen erschweren, und sohin 
die Kritik erschweren, da sie den Streitpunkt verdunkeln. 
Die Untersuchung der Grundbegriffe, die Feststellung der Grundlagen 
der wissenschaftlichen Systematik unseres Rechtstheils, die Theorie der Quellen 
des Völkerrechts und die geschichtliche Entwickelung der internationalen 
Rechts- und Staatsbeziehungen von v. HoLTZENDORFF füllt den grösseren Theil 
des I. Bandes aus. Der geschichtliche Bestandtheil dieser Arbeit schliesst
	        
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