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im Falle der Debellatio u. s. w. Neue Fragen hat die koloniale Bewegung
zu Tage gefördert. Es lag nahe, dass v. HoLTZENDORFF, der allen aktuellen
Fragen mit Eifer seine volle Aufmerksamkeit zu widmen pflegte, gerade
diese Fragen, die für die kolonialpolitischen Bestrebungen des neuen Deut-
schen Reichs von so eminent praktischer Bedeutung sind, auch vom juristi-
schen Standpunkte näher getreten ist. In diese Sphäre gehören seine Aus-
führungen über das koloniale Okkupationsrecht und über die Gebietsabtretung,
deren Rechtscharakter und Rechtsfolgen. Im Ganzen wird ja kaum bestritten
werden können, dass die m. E. für diese Fragen substanziell indicirte aus-
schliessliche Auffassung betreffender Rechtsverhältnisse vom spezifisch publi-
zistischen Standpunkte zur Richtschnur genommen ist; indessen wird der
Leser doch auch dem nicht durchweg zutreffenden Hereingreifen privatrecht-
licher Kategorien begegnen. — Als ausgezeichnete, derzeit abschliessende
Bearbeitungen des Strom- und Seegebiets erscheinen die Arbeiten von CARA-
THEODORY und STOERK. — In jeder Beziehung interessant ist die Abhandlung
von GarEIs über Sklavenhandel und Seeraub. — Der III. Band ist den
Staatsverträgen und den internationalen Magistraturen gewidmet. Nach einer
den dogmatischen Anforderungen an eine erschöpfende Darstellung des inter-
nationalen Obligationenrechts im Allgemeinen nicht durchaus entsprechenden
Arbeit von GESSNER werden die praktisch wichtigsten Gruppen von Verträgen:
die Garantieverträge und die Bündnissverträge von GEFFCKEN, die Handels-
und Schifffahrtsverträge von v. MELLE, die Eisenbahnverträge von MRrını,
die Postverträge und die Telegraphenverträge von dem gründlichen Kenner
des Post- und Telegraphenrechts O. DAamBacH, die Staatsverträge, betreffend
Rechtshilfe und Auslieferung von Lammasch behandelt, der durch seine vor-
zügliche Arbeit über Auslieferung zur Bearbeitung dieser praktisch so wich-
tigen Materie ganz besonders berufen erschien. Den Abschluss bildet aber-
mals eine Arbeit von DamBacHh über die Staatsverträge über Urheberrecht,
Musterschutz, Markenschutz und Patentrecht. — Das Gesandtschafts- und
das Konsularrecht ward der bewährten Meisterhand v. BULMERMcQ’'s anver-
traut. — Der IV. Band handelt von der Staatsstreitigkeit und ihrer Ent-
scheidung — das internationale Aktionenrecht. Die erste Abhandlung betr.
die friedliche Erledigung von internationalen Streitfällen hatte v. BULMERINCQ
übernommen, der der praktisch wichtigsten Frage de lege ferenda, nämlich
der schiedsrichterlichen Entscheidung in der Litteratur und in den Verhand-
lungen des Instituts für Völkerrecht näher getreten war. Seine Vorschläge sind
leider nicht frei von doktrinärem Idealismus. Alle Bestrebungen der heutigen
Völkerrechtsdoktrin und jener Körperschaften, die sich die Reform und rationelle
Weiterbildung des Völkerrechts zum Ziele setzen, können auf praktische Er-
folge doch nur dann rechnen, wenn sie schrittweise eine Umbildung
herrschender Maximen und Institute anstreben, ohne in einen auffallenden
Gegensatz zu den Exigenzen der internationalen Politik zu treten, an denen
die Staatsmänner der Gegenwart noch festhalten zu müssen glauben und viel-