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tende Thätigkeit in concreto der Vorwurf einer schuldhaften
Nichterfüllung seiner Schutzverbindlichkeit nicht erheben, so ist
damit die juristische Gegenleistung an und für sich gewährt °).
Ob nicht aus sonstigen Erwägungen staatsrechtlicher Natur eine
über das Verschuldungsprincip hinausgehende Haftung des Staates
sich rechtfertigen lässt, mag hier ununtersucht bleiben. Jedenfalls
spricht die Billigkeit sehr dafür, dass die Haftpflicht des Staates
insoweit ausgedehnt wird, als es sich um amtliche Rechtswidrig-
keiten rein casueller Natur handelt!®) und unter den vielen denk-
bar möglichen Arten amtlicher Verfehlungen zweifellos da am
meisten, wo der Staatsbürger eine Freiheitsstrafe unschuldiger
Weise erlitten hat. Ein in seinen Einzelheiten geradezu entsetz-
licher Fall einer unschuldig verbüssten längeren Strafhaft ist
während der Verhandlungen des österreichischen Abgeordneten-
hauses aus Anlass einer Petition zur Erörterung gelangt und
hier wie ausserhalb des Hauses allgemein mit den Gefühlen
schmerzlicher Theilnahme aufgenommen worden !!). Ja sogar über
Oesterreichs Grenzen hinaus gab das traurige Vorkommniss,
welches den körperlichen, geistigen und finanziellen Ruin des Ver-
9%) Wohlzubeachten muss aber jedes Verschulden der staatlichen Reprä-
sentanten bei Ausübung wirklich amtlicher Functionen als Verschulden
des Staates selbst gelten. Vgl. die cit. Schrift des Verfassers S. 91—94.
10) Also insbesondere um solche, die auf einem entschuldbaren richter-
lichen Irrthum beruhen. Zu den Fällen der vis major können derartige
Verfehlungen nicht gerechnet werden. Unzutreffend daher m. E., ein irr-
thümliches Strafurtheil mit Elementarereignissen, wie z. B. Hagel-, Blitz-
schlägen, Ueberschwemmungen, zu vergleichen, wodurch das Eigenthum des
Bürgers zerstört wird. Vgl. die eit. Schrift des Verfassers S. 123.
11) Fall des Waldhegers Peter Pabst, welcher wegen angeblicher Brand-
stiftung zu 12 Jahren schweren Kerkers verurtheilt war. Die Verurtheilung
war auf Grund der Aussage eines Zeugens erfolgt, der, wie gerichtsärztlich
nach Verbüssung eines Theils der Strafe später festgestellt, an Epilepsie und
damit in Zusammenhang stehenden transitorischen Geistesstörungen litt. Im
Gnadenwege ist inzwischen die allerhöchste Genehmigung zur Auszahlung
eines Betrages von 3000 Gulden für Rechnung des betreffenden Justizetats
an den Verurtheilten ertheilt worden.