Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer oder temporaler 
Unterschied, mag auch die politische Garantie, welche das Er- 
forderniss der Dreiviertelmajorität im Bundesrathe zu Verfassungs- 
änderungen den Einzelstaaten gewährt, noch so gross sein. Immer- 
hin erfolgt doch aber eine solche Selbstaufgabe des Staates nur 
zu Gunsten einer anderen staatlichen Rechtspersönlichkeit. Dass 
eine Mehrheit von Staaten sich ganz oder theilweise aufgiebt zu 
Gunsten einer sie umfassenden Gemeinschaft, die doch nicht 
selbst Staat ist, geht über menschliches Begriffsvermögen hinaus. 
3. Wäre ferner der Wille der Reichsstaatsgewalt nichts 
als die Summe der Einzelwillen der deutschen Bundesstaaten, so 
müsste die übereinstimmende Willenserklärung der letzteren, in 
den landesverfassungsmässigen Formen abgegeben, den Reichs- 
willen zu ersetzen geeignet sein. Auch dies ist nicht der Fall. 
Um einige Beispiele anzuführen vermag kein in allen deutschen 
Staaten übereinstimmend erlassenes Landesgesetz ein Reichsgesetz 
aufzuheben und damit die Mitwirkung des Reichstages zu umgehen, 
kein in allen deutschen Staaten unter Beobachtung der Formen 
eines Landesverfassungsgesetzes erlassenes Gesetz die Reichs- 
verfassung abzuändern oder „im Wege der Verständigung unter 
den verbündeten Regierungen“ Institutionen der Reichsverfassung 
aus der Welt zu schaffen. Denn die Reichsverfassung giebt den 
einzigen Weg an, auf dem Reichsgesetze aufgehoben oder Be- 
stimmungen der Reichsverfassung abgeändert werden können. 
Wollte man behaupten, dass es ausser diesem verfassungsmässig 
bezeichneten noch einen anderen Weg gebe, so würde man 
wiederum die verbindliche Kraft von Bestimmungen der Reichs- 
verfassung leugnen und sich damit ausserhalb des Bodens der seit 
Jahrzehnten in Deutschland geltenden Rechtsordnung stellen. 
Kann aber die Summe der Einzelwillen der deutschen Staaten 
den Reichswillen nicht ersetzen, so folgt daraus mit zwingender 
Nothwendigkeit, dass der Wille des Reiches von dem der 
Einzelstaaten verschieden ist, dass das Reich eine selbständige
	        
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