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stehung des Bundes an Bundesrecht und hatte als solches An-
spruch auf Geltung. Daher war es unmöglich, die Geltung der
Bundesverfassung vom Standpunkte des Landesrechtes aus zu er-
klären. Ebenso wenig ist aber die Bundesverfassung vom Stand-
punkte des Bundesrechtes juristisch erklärbar oder ableitbar. Denn
sie bildet die unterste Grundlage einer neuen, sich über die bıs-
herige particulare einschiebenden Rechtsordnung. Jeder Versuch,
die Bundesverfassung als Rechtsproduct konstruiren zu wollen,
ist daher eitel. Sie erscheint ebenso wohl wie der Bundesstaat,
mit dem sie entstand, als juristisch nicht fassbares Erzeugniss ge-
schichtlicher Thatsachen.
Der Umstand, dass die Bundesverfassung zunächst nur in
den Formen der Landesgesetze publicirt war, that ihrer Geltung
als Bundesrecht keinen Abbruch. Der Bundesstaat und seine
Verfassung war daher bereits zur Existenz gelangt, als der König
von Preussen auf Grund seiner bundesverfassungsmässigen Befug-
nisse am 14. Juli 1867 den Grafen von Bismarck zum Bundes-
kanzler ernannte und am 26. Juli 1867 die Einführung des
Bundesgesetzblattes anordnete, in dessen erster Nummer die
Bundesverfassung bekannt gemacht wurde. Diese Bekanntmachung
war nur deklaratorischer Natur, sie erfolgte mit dem Bemerken,
dass die Verfassung am 1. Juli Gesetzeskraft erlangt habe.
Die Bedeutung der die Bundesverfassung enthaltenen Landes-
verfassungsgesetze wie des Bundesvertrages, zu dessen Ausführung
jene dienten, war dagegen nur eine vorübergehende. Indem die
Landesgesetze auf Grund des zwischen den Bundesstaaten abge-
schlossenen Bundesvertrages den mit dem 1. Juli 1867 zur Ent-
stehung gelangenden Bundesstaat für eine landesrechtlich legitime
Staatsgewalt erklärten, enthielten sie den Befehl des Einzelstaates
an seine Unterthanen, sich der mit jenem Tage zur Wirksamkeit
tretenden Bundesstaatsgewalt innerhalb deren Kompetenz als
einer von ihrem Staate anerkannten zu fügen. Die Bundesverfas-
sung gelangte aber als solche mit der Entstehung des Bundesstaates