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scharf genug auseinanderhielt, andererseits innerhalb des Grundes
bezw. Zweckes nicht unterschied, sondern Grund bezw. Zweck
der Strafe an sich, Grund der Strafdrohung und Grund der Straf-
verhängung zusammenwarf, während eine strenge Auseinander-
haltung geboten erscheint.
Die Verwechslung von Grund und Zweck beruht darauf,
dass die Sprache beide Begriffe promiscue gebraucht. Diese
sprachliche Unart darf jedoch nicht dazu verführen, die beiden
Begriffe auch ihrem Wesen nach für eins zu halten. Vielmehr
verhalten sich Grund und Zweck ähnlich zu einander, wie Ursache
und Wirkung. Wie jeder Grund sich in einen Zweck unisetzen
lässt, so wurzelt umgekehrt jeder Zweck in einem bestimmten
(rund, der Anlass zu dem zweckgemässen Handeln ist. Der
Grund ist das quia, aus dem das ut entspringt. Ist so zwischen
Grund und Zweck zu scheiden, so ist andererseits der Grund der
Strafe vom Grund der Strafdrohung und der Strafverhängung im
einzelnen Fall zu trennen. Grund der Strafe ist immer das
Delict, und nur das Delict, Zweck der Strafe ist die Vergeltung
für dasselbe. Dagegen liegt der Grund der Strafdrohung darin,
dass man gewisse Handlungen als schädlich für das private oder
öffentliche Wohl ansieht; in der Verhütung dieser schädlichen
Handlungen, im Interessenschutz liegt der Zweck der Straf-
drohung. Grund der Strafverhängung im einzelnen Fall ıst das
Strafgesetz, Zweck derselben die Erfüllung des Strafgesetzes.
Nicht zu verwechseln mit dem Zweck der Strafverhängung sind
die Zwecke, die innerhalb der Strafverhängung beim Strafaus-
mass sich geltend machen können.
Wo ein Strafgesetz noch nicht existirt, da liegt der Grund
der Strafverhängung unmittelbar in der Willkür des Straf-
berechtigten, und da fällt der Zweck derselben mit dem Zweck
der Strafe überhaupt zusammen. Denn die Strafe entspringt hier
ohne Vermittlung eines Strafgesetzes, — dessen Erfüllung somit
auch nicht mehr den Strafverhängungszweck ausmachen kann, —
Archiv für öffentliches Recht. VII. 8. 95