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erfliesst, findet. Sie nähert sich dadurch der von Liszt auf-
gestellten Theorie 1°), der den Unterschied zwischen Uriminal- und
staatlicher Disciplinarstrafe nicht in der Strafe, sondern in den
durch dieselbe geschützten Interessen findet. Die Criminalstrafe
schütze die öffentliche Rechtsordnung und strafe den Bruch der-
selbeu, die Disciplinarstrafe schütze die Interessen eines besonderen
Lebenskreises und vergelte für deren Verletzung. Der Staat als
Inhaber der öffentlichen Strafgewalt ist ein von der staatlichen
Beamtenhierarchie, deren Ordnung durch die staatliche Disciplinar-
strafe aufrecht erhalten wird, verschiedenes Rechtssubject. Wo
der Staat glaubt, dass durch die Verletzung der Interessen des
speciellen Rechtskreises auch ein Bruch der öffentlichen Rechts-
ordnung involvirt wird, lässt er unabhängig von der Disciplinar-
strafe öffentliche Strafe eintreten.
Diese Verschiedenheit der durch die Strafe geschützten
Rechtssphäre bildet aber nicht nur das unterscheidende Merkmal
zwischen Criminal- und staatlicher Disciplinarstrafe, sondern auch,
was Liszt leugnet, zwischen Criminal- und staatlicher Ordnungs-
strafe, soweit letztere nicht Zwangsstrafe oder Zollordnungsstrafe
ist. Auch die staatliche Ordnungsstrafe vergilt nicht für den
Bruch der öffentlichen Rechtsordnung, sondern ahndet die Ver-
letzung einer besonderen Interessensphäre. Der Beweis für diese
Behauptung ist später zu erbringen; nehmen wir ihn aber als er-
bracht an, so besteht zwischen der staatlichen Ordnungstrafe in der
von uns gezogenen Einschränkung und der staatlichen Disciplinar-
strafe kein begrifflicher Unterschied. Beide können somit als eine
zusammengehörige Strafgruppe der staatlichen Oriminalstrafe gegen-
über gestellt werden.
Es deckt sich ferner das Wesen dieser Strafgruppe mit dem
Begriff und Wesen der nicht staatlichen Strafe, soweit letztere
19) Jm Rechtslexikon von HOoLTZENDORFF, Bd. II, 2, unter „Disciplinar-
strafe“; Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 3. Aufl, S. 237; s. ferner
H. Meyer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Bd. I, S. 12, Anm. 13,