Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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nur die Bestätigung, dass die hier vertretene Anschauung auch in 
dem Boden des positiven Rechts begründet ist. 
Ein gleicher, wenn nicht noch heftigerer Streit, wie um die 
rechtliche Natur der eben behandelten Strafen, wogt auch um die 
rechtliche Natur der Zeugenstrafen (R.-St.-P.-O. 88 50, 69, 77; 
R.-C.-P.-O. 88 345, 346, 355, 374; Patentgesetz vom 25. Mai 1877 
831; R.-G. vom 27. Juli 1877 betreffend die Untersuchung von 
Seeunfällen $ 19). Auch sie werden bald als öffentliche Strafen °°), 
bald als Ordnungsstrafen *°) angesehen. 
Unseres Erachtens sind auch sie autonome Strafen, ein Aus- 
fluss der den (terichten vom Staat verliehenen autonomen Straf- 
gewalt.. Dass sie keine öffentlich-rechtlichen Strafen sind, ergibt 
sich daraus, dass sie auch von Gerichten ausgesprochen werden, denen 
an und für sich keine öffentlich-rechtliche Strafgewalt verliehen 
ist (Oivilgerichte). Wären sie öffentlich-rechtliche Strafen, so hätte 
der Gesetzgeber nothwendig Bestimmungen treffen müssen über ihr 
Verhältniss zu dem $& 138 R.-St.-G.-B. Denn nach den gegen- 
wärtig geltenden Vorschriften tritt beim Vorliegen des That- 
bestandes des & 138 R.-St.-G.-B. die Strafe aus diesem Paragraphen 
der Zeugenstrafe hinzu; es würde somit, bei der Annahme, dass 
die Zeugenstrafe öffentlich-rechtliche Strafe ist, zweimal wegen der- 
selben Handlung öffentlich-rechtlich gestraft, — eine nur schwer zu 
rechtfertigende Anomalie. Das allerdings ist zuzugeben, dass $ 138 
Abs. 3 R.-St.-G.-B. nichts für die rechtliche Natur der Zeugen- 
strafen als „Ordnungsstrafen“ beweist; denn die darin enthaltene 
Bestimmung regelt nur das Verhältniss der zur Zeit des Erlasses des 
Strafgesetzbuches bestehenden Zeugenordnungsstrafen zu dem straf- 
baren Thatbestand des $ 138, sie kann aber die rechtliche Natur der 
zeitlich später entstandenen Zeugenstrafen der Prozessgesetze nicht 
59) MERKEL, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 409; Kayser, Der 
Zeugnisszwang im Strafverfahren, S. 31 ff. 
°) H. Mryer, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 2. Aufl., Bd. 1, 
S. 11: Liszt, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 3 Aufl., S. 239; SEUFFERT, 
Kommentar zur R.-C.-P.-O. zu $ 345.
	        
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