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die Schutzstaaten. Sie sind unvollständig handlungsfähig und unterscheiden
sich dadurch von den halbsouveränen Staaten mit unvollkommener Rechts-
fähigkeit. Zu den letzteren gehören die ehemaligen und gegenwärtigen Vas-
sallenstaaten der Pforte, deren völkerrechtliche Stellung der Verfasser der
der protegierten Staaten sehr scharfsinnig gegenüberstellt (S. 52 ff.). Das
zweite Kapitel handelt von der Begründung des Protectorats, das dritte erörtert
die Stellung des Ober- und Unterstaats dritten Staaten gegenüber, das vierte
spricht von der Einwirkung des Protectorats auf die Beziehungen zwischen
Öber- und Unterstaat, das fünfte endlich von der Beendigung des Protec-
torats. In den beiden letzten Kapiteln tritt die Schwierigkeit scharfer
juristischer Normirung besonders deutlich zu Tage. Es werden hier aus der
Natur des Rechtsverhältnisses, wie es der Verfasser auffasst, eine Menge von
Rechtsregeln abgeleitet, die nicht einmal immer auf dem Papier der Verträge
zur Anerkennung gelangt sind, geschweige denn Aussicht auf Verwirklichung
in der Praxis haben. Man denke nur an das theoretisch ebenso unbezweifel-
bare, wie praktisch entgegen dem Willen des Protectors nie realisierbare
Recht des Unterstaats zur friedlichen Kündigung des Schutzverhältnisses!
Heimburger.
Georges G. Flaischlen. — De l’initiative consulaire en fait de
tutelle et de curatelle surtout en ce qui concerne |a
Roumanie. — Paris 1891.
Der Titel des Buches deckt nur zum Theil dessen reichen Inhalt;
denn es behandelt nicht bloss den Competenzconflict der Consular- und der
territorialen Staatsgewalt in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen, sondern
entwickelt die Grundzüge des internationalen Vormundschaftsrechts über-
haupt. —
Von hoher Warte aus betrachtet der Verfasser in der Einleitung
(Seite 1—8) die Entwickelung des Oonsulatswesens und zeigt, wie das nicht
nur die reale, sondern auch die Ideenwelt beherrschende Gesetz der Ver-
änderung auch auf diese Entwickelung eingewirkt habe und noch weiter ein-
wirke, indem die ursprüngliche unbeschränkte Gerichtsbarkeit der Consuln
in den Staaten christlicher Gesittung allmählich zur blossen iurisdictio volun-
taria zusammengeschrumpft sei, die Unbestimmtheit dieses letzteren Begriffes
jedoch den Kampf zwischen der Consulargewalt und der Justizhoheit des
fremden Staates noch in Nachlass- und Vormundschaftssachen fortdauern
lasse. Von dem Falle ausgehend, dass ein Bürger in seinem Heimathsstaate
stirbt, verbreitet sich der Verfasser unter Berücksichtigung der Gesetzgeb-
ungen der verschiedenen Staaten über die Voraussetzungen der Einleitung
einer Tutel- bezw. Curatel im Allgemeinen (S. 8—13), über die Art der Be-
stellung des Tutor bezw. Curator (S. 13—15), über die wesentlich privat-
rechtliche Natur des Vormundschaftsrechts (S. 15—20), über die örtliche Com-
petenz des Vormundschaftsgerichts und den hierbei wichtigen Begriff des
Archiv für Öffentliches Recht. VII. 3. 30