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Entscheidungen der Gerichte und Verwaltungsbehörden, die zur Zeit beim
12. gehaltvollen Bande angelangt sind und sich als vortreffliches Repertorium
erwiesen haben, hat auch zur vorliegenden Quellenarbeit die Anregung ge-
geben; sie wird daher auch aller Voraussicht nach Wissenschaft und Praxis
gleich gute Dienste leisten. St.
Dr. P. F. Aschrott, Amtsrichter in Berlin. Die Behandlung
der verwahrlosten und verbrecherischen Jugend
und Vorschläge zur Reform. Berlin 1892. Verlag von
OÖ. Liebmann.
Unter den, in den letzten Jahren lebhaft erörterten Reformfragen auf
dem socialen Gebiete und dem des Strafrechtes, nimmt das Problem der
Sorge für verwahrloste Kinder, die Behandlung des noch bildungs- und be-
lehrungsfähigen Verbrechernachwuchses, eine hervorragende Stelle ein. Die
Ansichten über die Nothwendigkeit des gesetzgeberischen Einschreitens und
die’ Ziele haben sich Dank der Thätigkeit der Lehrer-, Getängniss- und
Armenpflegercongresse geklärt; Einzelstaaten, wie Preussen, Baden, Hessen,
Hamburg u. A, sind durch Specialgesetze bahnbrechend vorgegangen. Hieran
anschliessend enthält obige Schrift zunächst einen gedrängten Ueberblick über
den bisherigen Rechtszustand auf diesem Gebiet, die in der Praxis hervor-
getretenen Mängel und zu deren Abhilfe gemachten Vorschläge. Die Schrift
fasst den gegenwärtigen Stand der preussischen Gesetzgebung, welche vier
Kategorien (verwahrloste Kinder, welche noch keine strafbare Handlung be-
gangen haben; solche unter 12 Jahren, welche eine strafbare That begingen;
sog. jugendliche Personen, zwischen 12 und 18 Jahren, welche die Einsicht
der Strafbarkeit noch nicht besessen haben; jugendliche Personen im Alter
von 12 bis 18 Jahren mit der erforderlichen Einsicht) unterscheidet, zusammen
und behandelt im Anschluss an jene (fruppirung die Reformvorschläge, ihre
Nothwendigkeit und Berechtigung in folgender Fragestellung:
1. Genügen die gesetzlichen Bestimmungen über staatliches Einschreiten
gegen die verwahrloste Jugend oder sind sie zu erweitern?
2. Ist die bisherige Altersgrenze für die besondere strafrechtliche Be-
handlung von jugendlichen Delinquenten beizubehalten oder wie anders zu
normiren ?
3. Ist die bisherige Unterscheidung bei jugendlichen Delinquenten, je
nachdem sie die zur Erkenntniss der Strafbarkeit ihrer Handlung erforder-
liche Einsicht besessen haben oder nicht, gerechtfertigt?
4. Bedürfen die Bestimmungen des $ 57 R.-St.-G. über die Bestrafung
Jugendlicher einer Abänderung, event. welcher?
Zu 1. tritt der Verfasser für die Erstreckung des preussischen Gesetzes
auf das ganze Gebiet der Verwahrlosung ein und will von dem Erforderniss
der Feststellung einer strafbaren Handlung für die Anordnung der Unter-
bringung Abstand genommen haben. Die Erfahrungen, welche man in