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gegen jugendliche Delinquenten im Alter von 14—18 Jahren im $ 57 R.-St.-G.
neu einzuführen, und zwar mit der Massgabe, dass der Richter auf Zwangs-
erziehung allein oder in Verbindung mit den übrigen Strafmitteln des $ 57
zu erkennen befugt ist. Als ein weiteres Strafmittel gegen Jugendliche wird
die sog. bedingte Verurtheilung empfohlen.
Diese sämmtlichen Reformvorschläge beruhen auf demselben Grund-
gedanken: Durch rechtzeitiges Einschreiten soll in der gefährdeten Jugend
die Anlage zu einem antisozialen Verhalten unterdrückt und ein guter Keim
eingepflanzt werden, eine Aufgabe, welche durch die Gefängnisstrafe nicht
zu erreichen ist. Im Interesse der Jugendlichen, aber auch nicht minder im
Interesse des Gefängnisswesens, müssen die Jugendlichen so lange als mög-
lich vom Gefängniss festgehalten werden. Drei ergänzende Anlagen der
Schrift erhalten Vorschläge zur Ausführung der staatlich überwachten Jugend-
erziehung, Bemerkungen zu den für erforderlich erachteten Abänderungen
des Strafgesetzbuches hinsichtlich der jugendlichen Angeklagten und die
wichtigsten Beschlüsse der Congresse, welche sich in den letzten Jahren
mit der Frage der Zwangserziehung beschäftigt haben.
Aus der Skizze zur Durchführung des staatlichen Ueberwachungswesens
seien folgende beachtungswerthe Vorschläge hervorgehoben: Errichtung eines
Erziehungsamtes (Vormundschaftsrichter, Localbehörde, Geistlicher und
Lehrer) in jedem Amtsgerichtsbezirke als entscheidende Behörde, Beauf-
tragung eines Beamten mit den Functionen eines Jugendanwalts; Einrichtung
staatlicher Erziehungshäuser, soweit nicht eine genügende Anzahl geeigneter
Privatanstalten vorhanden sind; Uebernahme der Kosten gemeinsam durch
Staat, höheren Communalverband und Ortsarmenverband neben entsprechender
Beitragspflicht der Eltern.
Der Werth der Arbeit liegt darin, dass sie alles zur Lösung der Re-
formfrage vorhandene Material berücksichtigt und auf Grund der praktischen
Erfahrungen Vorschläge macht, welche beachtungswerthe Winke für die mit
Durchführung der Zwangserziehung betrauten Organe enthalten. Die Schrift
bietet zugleich interessante Beiträge zur Reform des Gefängnisswesens.
Dr. Zeller, Regierungsrath,
Dr. Karl Birkmeyer, Die Lehre von der Theilnahme und die
Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts. Berlin 1890.
805 S. 8°.
Der Verfasser vertritt in der Lehre vom Kausalzusammenhang die An-
sicht, dass zwischen Bedingung und Ursache unterschieden werden könne
und müsse. Daraus ergiebt sich auf dem Gebiet der Theilnahme für die
Unterscheidung zwischen Thäter und Mitthäter einerseits, Anstifter und Ge-
hilfen andererseits die sog. objective Theorie, erstere, aber nicht letztere
haben den Erfolg verursacht; zwischen ihrer Thätigkeit besteht also ein ob,
jectiver Unterschied. Die entgegengesetzte Ansicht wird insbesonders von