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hervorragendsten preussischen Staatsmänner jener Zeit — die Stein’schen
Reformvorschläge beschränken sich anfangs fast ausschliesslich auf die Be-
seitigung des Kabinets — wird es von dem Monarchen mit Entschiedenheit
vertreten, bis es endlich aus den Reformen der Stein-Hardenbergischen Zeit
als eine ganz neue, im wesentlichen noch jetzt bestehende Institution her-
vorgeht.
Wenn eine solche phänomenale Erscheinung des Staatslebens sich der
juristischen Betrachtung im wesentlichen entzogen hat, so beruht dies auf dem
zurückgebliebenen Zustande der deutschen Rechtsgeschichte, soweit das Rechts-
leben der letzten Jahrhunderte in Betracht kommt. Auch das vorliegende
Werk, obgleich von einem Juristen geschrieben, ist kein eigentlich rechts-
wissenschaftliches und will auch ein solches nicht sein. Es schildert die In-
stitution im engsten Anschlusse an das Lebeu derjenigen Persönlichkeit, deren
Namen in der Auffassung von Mit- und Nachwelt mit der Existenz einer
Kabinetsregierung untrennbar verknüpft ist, des Geh. Kabinetsraths Johann
Wilhelm Lombard. Was der Verfasser mit Recht verbunden, ist hier für
die Besprechung in einer juristischen Zeitschrift wieder von einander zu son-
dern. Wir haben es also im Folgenden nicht mit der biographischen Seite,
sondern nur mit der Rechtsgeschichte des Kabinets zu thun.
Das Kabinet des 18. Jahrhunderts in Preussen — nicht zu verwechseln
mit dem Kabinetsministerium, d. h. dem Ministerium der auswärtigen
Angelegenheiten — hat mit gleichnamigen Institutionen anderer Staaten nur
sehr wenige Berührungspunkte. Es ist der lebendige Ausdruck der persön-
lichen Herrschertbätigkeit der preussischen Monarchen. Die Chefs der Oentral-
behörden, die Minister, sind im 18. Jahrhundert nicht selbstständige Leiter
ihrer Ressorts, sondern nur ausführende Organe des königlichen Willens.
Friedrich Wilhelm I. brachte diesen regelmässig durch unmittelbaren persön-
lichen Verkehr mit den Ministern, namentlich durch seinen Vorsitz im General-
direktorium zur Geltung. Unter Friedrich dem Grossen hörte dieser persön-
liche Verkehr schon wegen der langjährigen Abwesenheit des Königs von
seiner Hauptstadt auf. Er verfügte regelmässig auf die Berichte der Minister
schriftlich aus seinem Kabinete und versammelte sie nur alljährlich einmal
um sich zu der sog. Ministerrevue. Lediglich als physische Organe des
Königs sollten seine „Schreiber“ im Kabinete dienen, sie sollten ohne eigenen
Willen und Einfluss seiner Willensmeinung schriftlichen Ausdruck verleihen.
Doch schon unter Friedrich dem Grossen kam es vor, dass einzelne Kabinets-
räthe trotz ihrer unscheinbaren Stellung einen wirklichen Einfluss erlangten.
Noch mehr war dies der Fall unter seinen Nachfolgern, die mit dem vollen
Anspruche auf eine persönliche Regierung doch nicht im Stande waren, die
Gesammtheit der Staatsgeschäfte selbst zu übersehen und zu beherrschen. Das
Kabinet umfasste nunmehr die persönlichen Berather des Königs bei den von
diesem zu treffenden Entscheidungen.
Die Entwicklung der Verwaltungsorganisation selbst kam dieser Um-