Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebenter Band. (7)

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in seiner neuesten Publication abermals Veranlassung genommen, die Ueber- 
zeugung zu verfechten, dass es ein zweifelloser Rechtsirrthum sei, aus dem 
Personenstandsgesetze oder aus sonstigen neueren reichsgesetzlichen Bestim- 
mungen die Aufhebung des landesherrlichen Ehescheidungsrechts herzuleiten. 
Er findet diese seine Auffassung dadurch bestätigt, dass keiner der Staaten, 
in welchen dieses Recht bisher geübt worden sei, zufolge der Reichsgesetz- 
gebung sich veranlasst gesehen habe, von dieser Uebung abzustehen, sowie 
dadurch, dass auch in der Praxis der Gerichte oder der sonstigen massgebenden 
Behörden nirgends die Fortdauer des landesherrlichen Ehescheidungsrechts 
angezweifelt worden sei. Nur so viel giebt er zu, dass dieses Recht von ge- 
ringer praktischer Bedeutung ist, da es in verhältnissmässig beschränkten 
territorialen Grenzen und in diesen verhältnissmässig sehr wenig geübt wird. 
Den unmittelbaren Anlass zur nochmaligen Erörterung der Frage gab dem 
Verfasser die denselben Gegenstand behandelnde Publication von MEIRER 
und bezeichnet er es selbst als eine Aufgabe seiner Schrift, die von diesem 
„verfochtene Meinung zu widerlegen, als sei jenes Recht durch die neuere 
Reichsgesetzgebung abgeschafft oder mindestens umgestaltet“. 
Im Einzelnen giebt er zunächst die geschichtliche Entwickelung des 
Ehescheidungsverfahrens und zwar bestehen die bezüglichen Ausführungen in 
der Hauptsache, von redactionellen Aenderungen und dem Schluss abgesehen, 
in der Wiederholung eines in Bd. XVIII der Zeitschrift für Kirchenrecht 
publicirten Aufsatzes. Er betont, dass sich im Verlaufe der Zeit der Rechts- 
satz ausgebildet habe, dass die landesherrliche Scheidung nur dann Platz 
greifen darf, wenn die gerichtliche Scheidung undurchführbar ist. Des Weitern 
führt er aus, dass die neuere Entwickelung den Satz ausgebildet habe, dass 
die landesherrliche Scheidung ein gemeinsames Gesuch beider Eheleute voraus- 
setze. Bei Widerspruch des einen Ehetheiles liege eine streitige (vor Gericht 
zu erledigende) Ehesache vor. Nach einer kurzen Erörterung der heutigen 
Stellung der Theorie und Praxis, gelegentlich deren es als gleichgiltig be- 
zeichnet wird, ob man die landesherrliche Scheidung als „Ertheilung eines 
Privilegs* oder als „Dispensation* oder als „Erlass einer lex specialis* oder 
als „Gnadenact“ auffasse, geht der Herr Verfasser dazu über, seine Auffassung 
über das Verhältniss der neuen Reichsgesetzgebung zum landesherrlichen Ehe- 
scheidungsrechte des Näheren zu begründen. Insbesondere in Betreff des 
Verhältnisses des $ 76 führt er Folgendes aus: Dass durch $ 76 des Personen- 
standsgesetzes das landesherrliche Ehescheidungsrecht irgendwie berührt sei, 
hätte nie behauptet werden sollen. Die Bestimmung des $ 76 Abs. 1: „In 
streitigen Ehe- und Verlöbnisssachen sind die bürgerlichen Gerichte aus- 
schliesslich zuständig“ bedeute nichts Anderes als: „Der letzte innerhalb des 
deutschen Reiches noch bestehende Rest der geistlichen Gerichtsbarkeit in 
Eheprozessen geht von jetzt ab auf die staatlichen Gerichte über“. Dem- 
gegenüber bezeichnet er diejenige Auffassung als ebenso unwissenschaftlich 
als verfehlt, welche den $ 76 Abs. 1 dahin versteht: „Die Ehescheidung soll
	        
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