— 417 —
jetzt ausnahmslos die Form des richterlichen Urtheils annehmen; sie ist der
einzige Scheidungsmodus für ganz Deutschland“. Er sucht die Richtigkeit
seiner Interpretation sowohl aus der Entwickelungsgeschichte des $ 76, als
auch aus der Entstehungsgeschichte des Personenstandsgesetzes überhaupt zu
erweisen und behauptet, es wäre ein arger legislativer Fehler gewesen, hätte
man das landesherrliche Ehescheidungsrecht schlechthin abschaffen wollen,
ohne irgend welchen Ersatz durch Erweiterung der gesetzlichen Eheschei-
dungsgründe herbeizuführen, welche Absicht auch bei keinem der betheiligten
Factoren bestanden habe. Im Einzelnen sucht Verfasser noch nachzuweisen,
dass die Anbringung eines Gesuches zweier Eheleute um Ehescheiduug beim
Landesherrn und die ausserprozessualische Instruction dieses Gesuches im
Verwaltungswege gar keine Streitigkeit in Ehesachen im Sinne des $ 76 sei.
Aber selbst wenn man auch die landesherrlich zu erledigenden Ehescheidungs-
sachen „streitige Ehesachen“ nennen dürfte, so ergebe doch sofort die Be-
stimmung des $ 76, dass dieselben unter ihm nicht mitverstanden werden
könnten. Denn es hätte keinen vernünftigen Sinn, in landesherrlich zu er-
ledigenden Ehesachen ausschliesslich die bürgerlichen Gerichte für zuständig
zu erklären, da ihnen damit die Ausübung der Gerichtsbarkeit in Fällen
übertragen würde, in denen ihnen das materielle Recht, das keine Erweiterung
der Scheidungsgründe erfahren hätte, dieselbe verböte. Nachdem Verfasser
sodann in zuweilen recht drastischer Weise die Consequenzen gezogen hat,
die sich nach seiner Ansicht aus der Mrurer’schen Theorie ergeben, hebt er
im letzten Abschnitt insbesondere noch hervor, dass die Ausübung des landes-
herrlichen Ehescheidungsrechts von einem landes- oder kirchenregimentlichen
Richterspruche in einen landesherrlichen Gnadenakt umgewandelt sei, und
schliesst mit den Worten: „Wie und wo innerhalb des deutschen Reiches
das landesherrliche Ehescheidungsrecht bis zum 1. Januar 1876 bestand, be-
steht es seit jenem Tage fort und wird voraussichtlich bis zu erfolgender
Codification des Ehescheidungsrechts fortbestehen*.
Auch derVerfasser der an zweiter Stelle genannten Schrift zieht das landes-
herrliche Scheidungsrecht in den Kreis seiner Darstellung (S. 147—165). Er geht
mit Recht davon aus, dass eine richtige Entscheidung in der vielumstrittenen
Frage nach der Fortdauer desselben für die Gegenwart sich nur bei einem Rück-
blick auf seine Entwickelungsgeschichte geben lässt. Im Anschluss an einen
solchen kurzen Rückblick betont er, dass das landesherrliche Scheidungsrecht
nicht eine spezifisch geistliche, sondern eine spezifisch weltliche Wurzel hat, dass
es ein spezifisch weltliches Institut ist. Mit Rücksicht hierauf erklärt er die bis in
die neueste Zeit vorgekommene Berufung auf die landesherrliche oberbischöf-
liche Gewalt für eine zwar volltönende, aber materiell nichtssagende Floskel.
Im Uebrigen charakterisirt er das landesherrliche Scheidungsrecht als einen
Ausfluss gesetzgebender Gewalt. Da nun mit der Einführung von Verfassungen
nirgends die Ausübung des landesherrlichen Scheidungsrechts an die Mit-
wirkung der Volksvertretung gebunden worden sei, so könne schon an sich