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wie sie es für zweckmässig erachteten. Sie waren nach den
Normen der Verfassung ebenso wohl dazu berechtigt, ein
Telegraphenregal für das ganze Reich zu schaffen, wie sie ganz
auf verfassungsmässigem Boden sich bewegten, als sie drei Regale
konstituirten. Den Anträgen gegenüber”), welche eine mög-
lichst einheitliche Ordnung der Diuge im Reiche verlangten, unter-
liess man es jedoch nicht, nachdrücklichst an die Geburtswehen
zu erinnern, unter denen das neue Deutsche Reich entstanden ist;
und die-Vertheidiger der Regierungsvorlage, welche die jetzige
Ordnung der Dinge in Aussicht genommen hatte, ernteten das
besondere Lob der süddeutschen Regierungsvertreter dafür, dass
‚sie für die Unverbrüchlichkeit der Versailler-Novemberverträge bei
dieser Gelegenheit so wacker eingetreten waren.
Waren wirklich diese Verträge in Gefahr, von einem Gesetz
durchlöchert zu werden, welches für das ganze Reich ein ein-
heitliches Telegraphenregal in Aussicht nahm? War es notwendig,
den beiden süddeutschen Bundesstaaaten auf dem Wege der
Reichsgesetzgebung ein Gesetz zu oktroiren, welches die Funk-
tionen einer von den Gesetzgebern jener Staaten erlassenen lex
haben soll?
Ausser Frage steht m. E., dass jener die Anwendbarkeit
des $ 7 ausschliessende Zusatz dem $ 15 angefügt werden
musste, sobald überhaupt eine gesetzliche Ordnung der Gebühren-
tariffrage ete. in Aussicht genommen werde. Denn die November-
verträge und ihnen entsprechend der Art. 52 der Verfassung
nahmen die Regelung des Gebührenwesens in Bayern und Württem-
berg von der Reichsgesetzgebung aus. Zweifelhaft erscheint je-
doch, ob man verfassungsmässig gezwungen war, die Anwendbarkeit
des Gesetzes für die beiden Bundesstaaten in der gewählten Form
zum Ausdruck zu bringen.
28) Vergl. Drucksachen des Reichstags No. 460, S. 21 ff., No. 76, S. 16.
Sten. Ber. S. 4547 ff.