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der einmal ein Recht ausgeübt hat, dieses Recht wieder gänzlich
zu entziehen“: gewiss! aber nicht bloss das, es ist kaum minder
bedenklich, einem, der ein Recht bisher genossen hat, dieses Recht
zu verkümmern, und darum sollte man nach meiner Meinung
auch das gleiche Stimmrecht nicht antasten, denn eine Be-
seitigung des gleichen Stimmrechts bedeutet, wie wir sahen,
eine Verkümmerung des allgemeinen Stimmrechts. Die
Frage, ob direkt oder indirekt gewählt werden soll, ist, wie
gleichfalls schon bemerkt, bei gleichem allgemeinem Stimmrecht
ohne Bedeutung. Zu erörtern bleibt also von den vier Grund-
lagen des jetzigen Wahlrechts nur noch die Heimlichkeit der
Wahl und daneben die Frage nach der Gestaltung der Wahl-
kreise, die nach Bänrs Vorschlägen in Wegfall kämen.
Die geheime Abstimmung halte ich für eine Unsittlichkeit,
die Wahl je eines Abgeordneten durch einen Wahlkreis mit ab-
soluter Stimmenmehrheit ist eine Ungerechtigkeit. Die beiden
Mängel des Gesetzes sind von einander völlig unabhängig, man
kann den einen beseitigen, während der andere bestehen bleibt;
zu wünschen wäre vor Allem die Beseitigung der den Fran-
zosen entlehnten Unsittlichkeit, leichter erreichbar wird die Be-
seitigung der Ungerechtigkeit sein. Diese kann sich gegen jede
Partei kehren, keine hat darum an ihrer Erhaltung ein besonderes
Interesse; die geheime Abstimmung dagegen liegt im Interesse
gewisser Parteien, die darum mit Leidenschaft daran festhalten
und jeden Angriff darauf als ein Attentat auf das „unverfälschte“
allgemeine Stimmrecht bezeichnen.
Ein gewisser Zusammenhang zwischen allgemeinem Wahl-
recht und geheimer Abstimmung ist allerdings nicht zu
leugnen: wer sich in abhüngiger Stellung befindet, für den kann
eine Abstimmung, unabhängig von Rücksichten auf die politische
Richtung des Gewalthabers, nachteilige Folgen haben. Allein
dieser Beeinträchtigung der Wahlfreiheit ist ein erhebliches Ge-
wicht nicht beizulegen. Von einem rechtlichen Hinderniss,