— 923 —
stimmen, wie er es vor sich selbst nicht verantworten kann.
— Wenn unter dem allgemeinen geheimen Wahlrecht eine Partei
des Umsturzes eine Million Stimmen auf sich vereinigt, so ist
darum noch nicht eine Million —, sind noch nicht einmal 500 000
Wähler Männer des Umsturzes, ein grosser, wo nicht der grössere
Teil dieser Wähler besteht aus Leuten, die mit irgend etwas,
wofür sie die bestehende Rechtsordnung und Verwaltung mit oder
ohne Grund verantwortlich machen, unzufrieden sind, und dieser
Unzufriedenheit machen sie durch die geheime Abstimmung Luft.
Zur Wahl stehen ein konservativer und ein revolutionärer Be-
werber; unser Wähler denkt nicht an Revolution; aber der Ober-
amtmann, der Schultheiss, der Polizeidiener haben ihn geärgert,
sie werden sich ärgern, wenn der Revolutionär gewählt wird, und
darum, um die Obrigkeit zu ärgern, wählt er den Revolutionär.
Sollte er das offen thun, so würde er sıch vor andern und vor
sich selbst schämen, aber weıun er es thun kann, ohne dass es
Jemand merkt, warum nicht? An die Folgen seines Thuns denkt
er nicht, aber die Führer der Umsturzpartei denken daran, und
sie rechnen, vielleicht nicht ohne Grund, darauf, dass unser
Wähler, wenn es ihnen einmal gelingt, eine Revolte in Scene zu
setzen, in gleicher Gedankenlosigkeit wie bei der Wahl ihrer
Fahne folgen werde. — Die Masse dieser ungebildeten, charakter-
schwachen Wähler ginge den Führern der staatsfeindlichen Par-
teien vermuthlich in dem Augenblick verloren, wo dem Satz: „ein
Mann ein Wort“ Geltung verschafft, wo die geheime Abstimmung,
der Deckmantel der Feigheit, Verlogenheit und Tücke, abgeschafft
wird: über den Verlust dieser Stimmen darf sich die staatsfeindliche
Partei nicht beschweren, denn die Wähler, die sie abgegeben haben,
sind in der Wahrheit nicht Anhänger dieser Partei, es ist gerade
die Heimlichkeit der Abstimmung, die das Ergebniss des all-
gemeinen Stimmrechts fälscht.
Keinerlei Zusammenhang besteht zwischen dem allgemeinen
gleichen Wahlrecht und der Wahl nach Kreisen mit absoluter