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150 Grünen gegenüber, diese erklären die Wahl des Blauen für
ungültig, und mit der ihnen nun gesicherten Mehrheit kassiren
sie auch die Wahl der neun weiteren Blauen, während sie die
zehn Abgeordneten ihrer Farbe für legitimirt erklären.
Ueber die Verwerflichkeit einer solchen Rechtsprechung, die
die Macht an die Stelle des Rechts setzt, kann kein Zweifel sein;
aber wie abhelfen? Wir haben kein Verwaltungs-Gericht, dem
die Entscheidung übertragen werden könnte, denn dass dieses
Gericht nur ein Gericht des Reichs sein könnte, dass die Ent-
scheidung über Wahlanfechtungen nicht den Verwaltungsgerichts-
höfen der Einzelstaaten übertragen werden kann, darüber ist auch
‘wieder kein Wort zu verlieren. Binr will das Urteil seiner Reichs-
wahlbehörde übertragen. Allein damit wäre, nach dem Vorschlag
Binrs über die Zusammensetzung dieser Behörde, das geschilderte
Uebel der Parteiwillkür zwar gemildert, aber nicht beseitigt, und
dass sich der Reichstag je zur Uebertragung der Wahlprüfungen
an eine solche Behörde verstehen wird, halte ich für unwahr-
scheinlich. Die Behörde wäre immer noch ein halb politischer
Körper und zwar ein solcher, worin die Anhänger der jeweiligen
Regierung die fast sichere Mehrheit haben; jede Partei wird sich
darum sagen, dass die Wahlkommission unter Umständen gegen
sie ausgenützt werden könnte, und wird darum der — ohnediess
unwillkommenen — Schaffung einer neuen Behörde widerstreben.
Liesse sich nicht — wiederum nach dem Gesetz der Spar-
samkeit — ohne solche Neuschöpfung Abhülfe treffen? Bei all-
seitigem gutem Willen wäre das wohl möglich. Ich habe oben
gesagt, wir haben kein Verwaltungsgericht des Reichs, dem
die Entscheidung der fraglichen Rechtsfälle übertragen werden
könnte; es wäre genauer zu sagen: das Reichsgericht, das wir
haben, hat keinen Verwaltungssenat, keinen Senat für Streitfälle
des Öflentlichen Rechts, an den die Uebertragung erfolgen könnte.
Damit ist auch schon das Mittel zur Abhülfe bezeichnet: es
gälte nur, beim Reichsgericht einen solchen Senat zu bilden. —