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Proportionalwahl als das „rationelle“ gegenüber den andern
„empirischen“ bezeichnet. Richtiger wäre es wohl, den ‚theore-
tisch-mathematischen‘ Vorschlägen die „praktisch-politischen“
gegenüberzustellen. Wationeller als diese wären jene nur dann,
wenn alle Wähler völlig gleichwertige Grössen wären (und wenn
zudem ein Wahlzwang stattfände). BR. meint selbst, es könne
Manchem bedenklich erscheinen, durch Einführung der Pro-
portionalwahlen ‚‚den Einfluss solcher Minderheiten zu stärken,
welche die nationalen, politischen oder wirtschaftlichen Grund-
lagen der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung prinzipiell
negiren“. Ich glaube nicht, dass ein solches Bedenken uns
hindern darf, die bessernde Hand an das Wahlgesetz zu legen,
aber die Ungleichwertigkeit der Wähler vor allem unter dem
von Bänr an sich mit Recht betonten Gesichtspunkt der Bildung
lässt gerade das System der Proportionalwahlen, so logisch-mathe-
matisch richtig es sein mag, politisch irrationell erscheinen. Die
Masse der ungebildeten und, was noch schlimmer ist, der halb-
und viertelgebildeten Wähler, die sich für gebildet halten, und
darum die jetzige Staats- und Gesellschaftsordnung umstürzen
wollen, ist in den grossen Städten angehäuft. Wenn sie dort
nach einem im Sinn der Minderheitsvertretung verbesserten Wahl-
gesetz einige Sitze im Reichstag erobert, so müssen wir das als
eine Folge des nun einmal nicht mehr zu beseitigenden allge-
meinen Wahlrechts hinnehmen; aber kein Recht hat diese Masse
darauf, durch ihre Zahl die Wahlen auch ausserhalb der von
ihr beherrschten Wahlbezirke zu beeinflussen, dieses Recht könnte
sie nur verlangen unter Berufung darauf, dass sie die (der Zahl
nach) stärkste Partei sei, Parteien aber, ich wiederhole es,
darf der Staat nicht amtlich, durch seine Gesetzgebung, anerkennen.