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klärende Satz des Römischen und des Kanonischen Rechts nicht
in das preussische Ivecht aufgenommen worden sei, jedoch der
ihm zu Grunde liegende Gedanke auch heute noch in Preussen
insofern positiv-rechtliche Bedeutung habe, als dort die zum
Dienste Gottes bestimmten und geweihten Kirchen überhaupt
nicht unter den Gesichtspunkt des Erwerbes irdischer Güter —
eines „Kinkommens‘‘ — gebracht werden könnten, so lange sie
eben noch Kirchen im Rechtssinne seien. Ausserdem sei jede
Kirche in der Regel für den Gottesdienst einer bestimmten Ge-
meinde vinkulirt. Hierbei möge es vorkommen, dass bei Unglücks-
fällen die Kirche auch dem Gottesdienste einer anderen Gemeinde
— dann übrigens keinesfalls etwa miethsweise — eingeräumt
werde; auch möge in Ausnahmefällen ein anderes Lokal, welches
miethsweise beschafft worden sei, zum Gottesdienste benutzt werden.
Indess daraus könne doch noch nicht ein Einkommen im Sinne
von „Ersparniss an Miethe‘‘ deduzirt werden, da die Beschaffung
eines zu gottesdienstlichen Zwecken gleich brauchbaren Ge-
bäudes mittelst Anmiethung ausgeschlossen sei. Unter diesen
Umständen dürfe unerörtert, solle aber nicht unerwähnt bleiben,
dass auch die von den Privilegien der Kirchen handelnden Be-
stimmungen der $$ 18 und 174 Titel 11 Theil II des allgemeinen
Landrechts der Ansicht der Klägerin hinsichtlich der Freiheit der
Kirchengebäude von Komunal-Einkommensteuern zu Seite ständen.
Dem gegenüber ist Seitens des Beklagten geltend gemacht
worden, dass die Klägerin sich den Selbstnutzen aus der Kirche
deshalb anrechnen lassen müsse, weil sie diese für ihre gottes-
dienstlichen Zwecke gebrauche, und weil es unerheblich sei, ob
ein Gebrauch für öffentliche oder für Privatzwecke stattfinde.
Der $ 28 Abs. 5 des Gesetzes vom 1. Mai 1851 (Gesetzsammlung
Seite 193) verpflichte jeden Gebäudebesitzer ohne Ausnahme, den
Werth der von ıhm benutzten Räume als Einkommen zu ver-
steuern, möge auch die Nutzung auf eine bestimmte Art be-
schränkt sein oder wider den Willen des nutzenden Eigenthümers
erfolgen. Hier liege aber der letztere Fall nicht einmal vor,
indem die Klägerin die Kirche gerade zu dem Zwecke gebaut