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ihr ausgegangene Instruktion des Verfahrens zu jenem friedlichen Abschlusse
geführt worden. Vor dem kritischen Auge des Sachkundigen sind alleSchieds-
sprüche weniger die Ergebnisse der Völkerverbrüderung, der Friedensliguen.
philanthropischer und interparlamentarischer Konferenzen, sondern die Früchte
der dem Gedanken der Verkehrspflegetreuer als je dienenden
modernen Diplomatie. Das derbe Wort BıuEcuers über die „v...
Federfuchser“ hat ein halbes Jahrhundert hindurch Karriere gemacht. Wie
aber hei den meisten „Gemeingut‘“ gewordenen Sätzen, wurde auch hier das
Wort nicht auf seinen innern Wahrheitsgehalt, sondern nur auf seine äussere
polemische Stosskraft geprüft. Kenner und Lehrer des Völkerrechts sollten
sich aber doch wohl nicht länger der einfachen Erwägung verschliessen, dass
das Institut der staatlichen Diplomatie nicht um ein Haar schlechter funk-
tionirt, als dies den anderen Organgruppen der staatlichen Maschine im innern
Justiz- und Verwaltungsdienste gelingt. So wie dieser sich verbessert hat,
ist auch jene zu höherer Wirksamkeit vorgeschritten. Soweit daher eine
Kritik staatlicher Wirksamkeit überhaupt und eine Vergleichung betrieben
wird zwischen der realen Erscheinung des Staates und seinem denkbar höchsten
Entwicklungsgebilde, soweit wird auch natürlich eine Fülle berechtigter Vor-
würfe und Einwände auf das ganze Institut der Diplomatie niederrauschen
können; sobald man jedoch innerhalb des Bestehenden mit der empfindlichen
Wage geschichtlichen Betrachtens zur Vergleichung der verschiedenen
Wirkungssphären des modernen Staates schreitet, dann muss auch diesem
vielverlästerten und spröden Zweige des staatlichen Amtsapparates sein gutes
Recht werden.
Die Betonung dieses Umstandes fehlt uns empfindlich im historischen
Gesamtbilde, das uns Verfasser mit redlichem Bemühen aufzurollen sucht.
Sein Verzeichniss der Schiedssprüche ist übrigens auch nicht vollständig:
es fehlt unter anderen auch der für die Technik der Arbitrage ganz beson-
ders interessante Schiedsspruch des Kaisers von Oesterreich vom 2. Juli 1881
zur Entscheidung der Differenzen, welche zwischen Grossbritannien und
Nikaragua in Betreff der Auslegung einiger Artikel des von ihnen am
28. Januar 1860 zu Managua geschlossenen Vertrages entstanden waren.
Mit dem im Vorstehenden gegebenen Vorbehalte stimme ich gerne
den Ausführungen des Verfassers über die Nützlichkeit der in das Vertrags-
material allmählich eindringenden Arbitrage-Klausel zu: wir ‚halten aber daran
fest, dass dem Völkerleben dadurch nicht eine der ernsten Prüfungen er-
spart bleiben wird, welche untrennbar an seine grossen entscheidungsvollen
Wendungen geknüpft .sind. Hier gilt der Satz: minima curat praetor, die
wirklichen Schicksalsfragen löst sich ein Volk nur selbst. Das muss
immer wieder der kleinlichen Schiedsspruchs-Schwärmerei vorgehalten werden.
Wer gestaltend in das staatliche Leben eingreifen will, muss vor Allem von
jener heiligen Scheu durchdrungen sein, welche PrAto als die erste und letzte