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Wahlagitationen dem Abgeordneten als Dienstvergehen an-
gerechnet wurden, weist so recht klar darauf hin, dass der Ab-
geordnete die Erfüllung seiner Mandatspflicht mit den üblichen
strengen Anforderungen an die Wahrung der Dienstpflicht ab-
solut nicht in Einklang zu bringen vermag, wofern ihm nicht
ein ergiebiges Immunitätsgesetz zur Seite steht.
Der Abgeordnete, der befürchten muss, mit jeder oppositio-
nellen Rede gegen seine Dienstpflicht zu verstossen, welche eine
freimüthige und wenn es sein muss, scharfe Kritik der Regierungs-
handlungen nicht zulässt, kann seiner Pflicht als Abgeordneter
nicht gerecht werden; er ist durch die Rücksicht auf die mög-
lichen Folgen seines Thuns gezwungen, sich eine Reserve aufzu-
erlegen, die seine Thätigkeit im öffentlichen Interesse des Ver-
fassungslebens behindert.
Das Auskunftsmittel, sich auf die ausschliessliche parlamen-
tarısche Thätigkeit zu beschränken und von jeder sonstigen
ausserparlamentarischen Thätigkeit abzusehen, vermögen nur Jene
zu empfehlen, die das politische Leben und insbesondere die
parlamentarischen Verhältnisse nicht kennen; letzteres stellt An-
forderungen an den Einzelnen, denen man durch eine blosse
Passivität und durch eine blos mässige Thätigkeit nur selten zu
genügen vermag.
Die Erkenntniss muss durchdringen, dass der Abgeordnete,
der zugleich Beamte ist, darum nicht weniger frei sein darf, als
der Abgeordnete, der sich in keiner dienstlichen Stellung befindet.
Erhebt man sich nicht zu dieser Erkenntniss, dann darf
man den Civilbeamten ebenso wenig für befähigt ansehen, sich
um ein Mandat zu bewerben oder ein solches auszuüben, als den
Soldaten, der ja auch nur durch sein strengeres Dienstverhältniss
daran verhindert erscheint, seine Mitbürger in parlamentarischen
Körperschaften mit vollem Erfolge zu vertreten.
Unseres Erachtens kann eher die strafrechtliche Immunität
der Abgeordneten entbehrt werden, als die Immunität gegen