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aber doch im Grunde so viel Werth hat, wie wenn wir unser positives Recht
aus den Systemen des Naturrechts kennen lernen wollten.
Von den antiken Verhältnissen wendet sich der Autor den germanischen
Rechtsideen zu, die er in grossen Zügen zeichnet. Er führt aus, wie von
dem patrimonialen Gedanken der Herrschaft über Grund und Boden aus-
gehend im mittelalterlichen Königthum eine Verbindung des Amtsbegriffes
mit dem Herrscherrechte sich herausbildet, wie die spätere Einwirkung der
antiken Litteratur und des römischen Rechtes zwei einander entgegengesetzte
Theorien von Wesen des Staates erzeugt: die der Volkssouveränität und die
des fürstlichen Absolutismus, welche beide unfähig sind, jene zwei wesent-
lichen Elemente des Königthums mit einander zu vereinigen. Aber auch die
moderne staatsrechtliche Theorie sei bisher nicht im Stande gewesen, den
Begriff des Königs widerspruchslos zu denken, das eigene Recht auf die
Herrschaft und die Organstellung des Monarchen innerlich zu verbinden und
zu begreifen. .
Die Lösung des Räthsels findet nun der Verfasser in der Anwendung
‚des germanischen Rechtsbegriffes des getheilten Eigenthums auf den Staat.
Die Staatsgewalt eigne dem Staate, aber auch der Monarch habe ein eigenes
Recht auf die Staatsgewalt. In diesem Recht auf die Herrschaft, welche dem
Monarchen die Doppelstellung als ausserstaatlichen Herrn und als staatlichen
Organes verleihe, liege das Specifische der Monarchie, da in der Republik ein
‚derartiges Vorrecht auf die Herrschaft fehle.
Ich habe an anderer Stelle (System der subjektiven öffentlichen Rechte
S. 136 ff) gegen diese Construktion, die BERNATZIK im Wesentlichen bereits
in dieser Zeitschrift (V. S. 297 ff) ausgeführt hat, Einwände erhoben. Sie
an dieser Stelle zu wiederholen, halte ich für unnöthig, weil selbst dann,
wenn man dem Verfasser die Richtigkeit seiner Prämissen zugiebt, eine be-
friedigende Erklärung des Wesens der Monarchie aus ihnen nicht erfolgt.
BernarzıK selbst verhehlt sich nämlich nicht, dass es schwer sei, von
seinem Standpunkt aus einen Unterschied zwischen Monarchie und Aristokratie
zu finden; ihm selbst erscheint in konsequenter Fortbildung seines Grund-
gedankens die Aristokratie gleichsam als die Monarchie der herrschenden
Minorität. Beide Staatsformen sollen aber dadurch der demokratischen
Republik entgegengesetzt sein, dass es in dieser kein Vorrecht zu herrschen
‚gebe : es stehe dort Niemand ein eigenes Recht auf Herrschaft zu.
Allein gerade von dem Standpunkt des Verfassers aus muss die letztere
Behauptung als unrichtig bezeichnet werden. Acceptirt man die Voraus-
setzungen BERNATZIK’sS, so muss auch jedem Mitgliede der souveränen Volks-
gemeinde ein Recht auf Theilnahme an der Herrschaft zugeschrieben werden.
Es ist nicht abzusehen, warum das Recht, das er einer aristokratischen
Minderheit ertheilt, einer demokratischen Vielheit mangeln solle, In seinen
früheren Ausführungen hat der Verfasser vorsichtig dieses eigene Recht auf
Antheil an einer Organstellung in vollem U mfange anerkannt (a. a. O. S.309 ff)