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nicht gebunden ist, Kenntniss genommen hat (Art. 18)')). Der
Einholung einer königlichen Ordre bedarf es nicht.
Wird die Auslieferung seitens des Justizministers verweigert,
so wird das Individuum sofort in Freiheit gesetzt und werden ihm
die beschlagnahnıten Sachen wiedergegeben, es sei denn, dass der
Verhaftete oder die Gegenstände aus anderen Gründen in Haft
bezw. zurückbehalten werden müssen.
Dasselbe Verfahren findet auch statt, wenn es sich um die
Auslieferung eines Verurteilten handelt. Der Justizminister
muss auch diesfalls ein gerichtliches Gutachten einholen und darf
nicht, wie Bernarp, Traite de l’extradition, Paris 1883, II. S. 482,
will, sofort selbst in der Sache entscheiden. (Vgl. Lammascn,
a. a. 0. S. 693.)
Ein besonderes Verfahren tritt ein, wenn der Auszuliefernde
behauptet, Niederländer zu sein und, dass infolgedessen die
Bestimmungen des Auslieferungsgesetzes auf ihn nicht anwendbar
seien. Diesfalls kann er sich innerhalb 15 Tagen nach der ge-
rıchtlichen Vernehmung mittels Gesuchs an den hohen Rath, hooge
raad (höchster Gerichtshof in Holland), wenden und um dessen
Entscheidung bitten (Art. 16 Abs. 1).
Der Staatsanwalt ist verpflichtet, den Angeklagten sobald
als möglich und zur Zeit seines Verhörs vor dem Gericht davon
zu unterrichten, dass er diese Befugniss hat und sich zu dem
Zwecke mit einem Rechtsbeistande beraten könne (Art. 16 Abs. 2)
Der Gerichtschreiber des hohen Rathes hat dem Justizminister
ohne Verzug von dem Eingang eines solchen Ersuchens Kenntniss
zu geben (Art. 16 Abs. 3).
Der hohe Rath entscheidet nach Anhörung des Oberstaats-
anwaltes.
!) Der Justizminister muss jedoch mit seiner Entscheidung bis zum
Ablauf des fünfzehnten Tages nach dem gerichtlichen Verhör warten, da der
Verbrecher innerhalb dieser Frist noch die Entscheidung des Hohen Rathes
mit der Behauptung, Niederländer zu sein, anrufen kann (Art. 16).