Metadata: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

182 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
Beispiele. I. 1. Der achtjährige A. überrascht seinen Vater mit der Mitteilung, daß 
sein Onkel B. ihm soeben vor dem Notar C. sein großes Miethaus in der Triumphgasse 
geschenkt und daß er, A., die Schenkung angenommen habe. Hier ist die Schenkung, auch 
wenn Vater A. außer sich über sie ist, ja sogar, wenn er sie sich im voraus wiederholt verbeten 
hatte, als B. sie ihm ankündigte, vollgültig. Denn sie ist ja „.rein gewinnbringend“. Freilich 
bringt sie in Wahrheit beiden A.s, dem Vater wie dem Sohn, auch erhebliche Lasten durch 
die Sorge um die Grundsteuern, um die Mieter im Hause, um die Straßenreinigung, und 
gerade deshalb hat Vater A. vielleicht nichts von ihr wissen wollen. Diese Lasten kommen 
hier aber nicht in Betracht; denn daß sie nun auf A. jun. übergehn, ist nicht eine „rechts- 
geschäftliche“ Folge der Schenkung. 2. Aus demselben Grunde ist es auch gültig, wenn der 
kleine A. sich von einem Nachbarn einen bissigen Köter schenken läßt, obschon er dadurch die 
Haftung für die Missetaten des Köters übernimmt (833). II. Gültig ist es ferner, wenn 
der kleine A. einen seiner Schuldner gegen seines Vaters Willen mahnt, nicht aber auch, 
wenn er ihm kündigt. Denn die Mahnung bringt rechtlich nur Vorteil, die Kündigung 
bringt rechtlich auch Nachteil. III. Ungültig ist es, wenn der kleine A. eine ihm angefallene 
Millionenerbschaft gegen seines Vaters Willen annimmt. Denn damit übernimmt er auch 
die Erbschaftslasten, und daß diese viel geringer sind als die Erbschaftsaktiva, macht nichts 
aus. Höchstens kann man bezweifeln, ob die Übernahme der Erbschaftslasten eine „rechts- 
geschäftliche“ Folge der Erbschaftsannahme ist; wollte man diese Frage verneinen, so müßte 
man dem A. auch die Jähigkeit zusprechen, eine überschuldete Erbschaft anzunehmen. 
IV. Unzulässig ist es, wenn der kleine A. gegen seines Vaters Willen seine Schulden be- 
zahlt oder seine Forderungen einzieht. Freilich erzielt er in beiden Fällen rechtsgeschäftlichen 
Gewinn: dort wird er von seinen Schulden frei, hier bekommt er Geld. Daneben erleidet 
er aber in beiden Fällen auch rechtsgeschäftliche Nachteile: dort büßt er sein Geld, hier büßt 
er seine Jorderungen ein. 
b) Die zweite Hauptregel lautet: einen lästigen Vertrag kann eine 
beschränkt geschäftsfähige Person nur mit Zustimmung des Gewalthabers, 
dessen Pflege sie unterstellt ist,“ gültig abschließen, ohne Rücksicht darauf, ob 
die Gegenpartei gewußt hat oder hätte wissen müssen, daß sie es mit einer 
beschränkt geschäftsfähigen Person zu tun hatte;? die Zustimmung kann ent- 
weder im voraus oder nachträglich erklärt werden (107, 108 I): ersterenfalls 
heißt sie „Einwilligung“, letzterenfalls „Genehmigung“ (183, 184). 
a#) Hat ein lästiger Vertrag, den eine beschränkt geschäftsfähige Person 
abgeschlossen hat, im voraus die Zustimmung des Gewalthabers erhalten, 
unter dessen Pflege jene Person steht, so ist er von Anfang an gültig, gerade 
so, wie wenn er von einer unbeschränkt geschäftsfähigen Person abgeschlossen 
wärc. Dagegen macht der Vertrag, wenn er einer solchen vorausgehenden 
Zustimmung darbt, einen Schwebezustand durch, ähnlich einem anfechtbaren, 
aber noch nicht angefochtenen Vertrage; nur ist seine Entwicklung der des 
letzteren Vertrages gerade entgegengesetzt; dieser ist anfangs gültig und wird 
erst nachträglich mit rückwirkender Kraft nichtig, wenn er angefochten wird 
(142 1); jener ist anfangs nichtig und wird erst nachträglich mit rückwirkender 
Kraft gültig, wenn der Gewalthaber ihn genehmigt (108 I, 184 1). Selbst- 
verständlich ist übrigens, daß der Vertrag, auch solange er nichtig ist, und 
sogar dann, wenn er die Genehmigung des Gewalthabers niemals erhält und 
4) Siehe oben § 28 II, 2a, § 29 I, 1b, 2b. 
5) Siehe aber unten bei e.
	        
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