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jenigen der Staaten, in ihrer Totalität, überhaupt zu beurtheilen
sind. Diese Grundsätze aber sind bisher so selten und so wenig
scharf zum Gegenstande der Untersuchung gemacht worden, dass
es unumgänglich ist, sie hier eingehender zu entwickeln, ehe die
Einzelheiten der beiden begrifflichen Unterarten besprochen wer-
den, um welche es sich im Uebrigen hierbei handeln kann.
Im Allgemeinen liegt es auf den ersten Blick nahe, einen
Landestheil, sobald er einmal als etwas für sich Bestehendes,
aus seinem Zusammenhange mit dem übrigen Staatsgebiete Ge-
trenntes in Betracht kommt — in eine gewisse Parallele mit
diesem „Staatsgebiete“, in seiner Totalität zu bringen. M.a. W.:
Man fragt sich unwillkürlich, ob nicht alles das, was für die
Beziehungen der Menschen zum Staatsgebiete gilt, auch für die
Beziehungen gilt, welche zwischen der Bewohnerschaft eines be-
stimmten Gebietstheiles und diesem letzteren selbst bestehen? —
Diese Frage nun ist, um das hier gleich vornweg zu bemer-
ken, des Oefteren ganz unbedingt bejaht worden; und vor Allem
ist es die französische Publicistik, welche daraufhin eine Theorie
entwickelt, deren Mangelhaftigkeit höchstens noch von ihrer Ge-
fährlichkeit übertroffen wird.
Wenn man einen festgefügten in sich abgeschlossenen Staat
betrachtet, so ergibt sich ohne Weiteres, dass hier die gesammte
Bewohnerschaft des Landgebietes — soweit derselben nach den
allgemeinen Bestimmungen des modernen Staatsrechtes die
Staatsbürgerqualität zukommt -— zu einem einheitlichen Ganzen
verbunden ist, welches man als solches „das Volk“ heisst. Das
Volk ist im eigentlichen staatsrechtlichen Sinne, nicht die Masse
aller atomisch an einander gereihten Individuen, sondern eine
Körperschaft, welche gemäss der auf den ganzen Umfang des Staats-
gebietes berechneten Verfassung, als ein begrifflich Einheitliches
oder, wie man sich auszudrücken pflegt, als ein selbstständig
functionirender Organismus erscheint. Fasst man nun aber nur
einen bestimmten Theil dieses Staatsgebietes ins Auge, so ist