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es folgt naturgemäss aus denjenigen Grundsätzen, zu welchen
man am Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Proclamirung
des abstracten Vernunftrechtes ganz von selbst gelangte und von
dem man sich bisher noch nicht im Geringsten hat losmachen
können. Die eigentliche Grundlage des „Bevölkerungsrechtes“
war enthalten in der famosen „Erklärung der Menschenrechte“,
aus der sich dann ganz von selbst die Lehre von dem ‚Selbst-
regierungsrechte“ der Völker entwickelte. Dies ‚Selbstregierungs-
recht‘ aber ist, genauer zugesehen, ein Widersinn, denn kein
Volk vermag in Wahrheit sich selbst zu regieren.
Man kann ja allerdings das Wort „Volk“ in verschiedenem
Sinne fassen und darunter einerseits die Bevölkerung eines Staa-
tes, d. h. die, wie schon einmal gesagt, atomisch an einander
gereihte Masse der Individuen verstehen, welchen staatsbürger-
liche Qualität zukommt, und andererseits das durch eine be-
stimmte, sei es geschriebene oder ungeschriebene Verfassung or-
ganisirte „Volk“ begreifen, so dass man dann von einer Regierung des
Volkes, in diesem letzten Sinne, über dasjenige im erstgedachten
Sinne, reden könnte; aber ein Reflexivverhältniss, wie es be-
stehen müsste, wenn in Wahrheit jemals sollte behauptet werden
können, dass ein Volk sich selbst regiert, dass also Subject und
Object der Regierung schlechterdings identisch sind — gibt es
nicht und kann es nicht geben. Es sind immer und unter allen
Umständen nur bestimmte Elemente der Bevölkerung, welche
auf eine genau vorgezeichnete Art mit einander zusammenwir-
kend, das Volk regieren können. ...
Diese Wahrheit ist so einfach und so zwingend, dass sich
darüber auch die Schule des Vernunftrechtes gar nicht hinwegzu-
setzen vermochte, so emphatisch sie auch behauptete, das thun
zu wollen und thun zu können.
Die Vorschriften, welche unerlässlich sind, um überhaupt das
Zusammenwirken der verschiedenen zur Regierung des Volkes be-
rufenen Elemente zu ermöglichen, heisst man die Verfassung