Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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welche über die Grenzen des Staatsgebietes zu entscheiden haben, 
und die darum zuständig sind nicht nur über eine Erweiterung, 
sondern auch über eine Einschränkung des Gebietes zu beschlies- 
sen; die Dereliction aber ist, begrifflich, nichts anderes als eine 
derartige Einschränkung. —- 
Thatsächlich sind Derelictionen, in dem gedachten Sinne, 
innerhalb der Kulturwelt kaum zu erwarten, denn die praktische 
Staatskunst steht auf dem Standpunkte, eine möglichst grosse 
Ausdehnung des Staatsgebietes grundsätzlich, wenn nicht für 
einen materiellen Vortheil, so doch für eine „Ehrensache‘, d.h. 
einen Begriff anzusehen, der freilich mitunter wenig Fassbares 
bietet, aber doch darum nicht minder eingreifend und nachhal- 
tig wirkt, und ist jedenfalls immer geneigt, in dem Verzichte 
auf die Souveränetät über ein bestimmtes Gebiet ein untrüg- 
liches Anzeichen für den Mangel an Lebensfähigkeit des betref- 
fenden Staates zu finden. Immerhin ist eine Dereliction ziem- 
lich Häufig mit Bezug auf coloniale Gebiete; und ebenso wenig 
unstatthaft wie sie in dieser Hinsicht erscheint, ist sie es gegen- 
über Landestheilen, welche, wie man sich regelmässig, aber durch- 
aus nicht ganz geschickt auszudrücken beliebt, zum ‚„unmittel- 
baren Staatsgebiete‘“ gehören, denn solche Landestheile und Colo- 
nien stehen, der richtigen Ansicht nach, in ganz gleichem staats- 
rechtlichen Verhältnisse, wenn auch die Organisation beider ın 
den meisten Fällen eine verschiedene sein wird. — 
Die Einwendungen, welche man gegen die Zulässigkeit der 
Dereliction erhoben hat, gehen zunächst darauf hinaus, dass es 
nicht angängig sei,’ irgend ein Stück der Kulturwelt ohne staat- 
liche Organisation zu belassen; dieser Gedanke ist an sich durch- 
aus richtig, aber führt doch nur dazu, die Nothwendigkeit an- 
zuerkennen, dass auf jedem derelinquirten Gebiete sofort eine 
neue. staatliche Organisation. Platz greifen muss, sobald es aus 
seinem bisherigen Staatsverbande ausscheidet; nicht aber dazu, 
die Dereliction an sich als einen Widerspruch gegen die geläu-
	        
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