Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

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niss der schuldhaften Verletzung der Erzielhungspflicht ist, manch- 
mal aber auch lediglich im Charakter des Kindes wurzelt und 
der sorgfältigsten Erziehung Hohn spricht. Dies folgert AscuroTr !°) 
mit Recht ohne Weiteres aus dem in den Motiven der Re- 
gierungsvorlage ausgesprochenen Gedanken, dass der Staat recht- 
zeitig an die Stelle der Eltern treten müsse, „um zu verhüten, dass 
die Kinder, herangewachsen, den Strafgefängnissen verfallen“. Von 
diesem Standpunkte aus erscheine es gleichgültig, ob die Eltern bei 
der Erziehung ein Verschulden treffe oder nicht. Uebrigens 
steht das preussische (fesetz mit seiner Terminologie nicht allein 
da; denn auch das badische und das hessische Gesetz über die 
Zwangserziehung vom 4. Mai 1886 bezw. 11. Juni 1887 lassen 
letztere einerseits nur bei sittlicher „Verwahrlosung‘“ des 
Kindes, andererseits aber auch ausdrücklich schon im Falle der 
blossen Unzulänglichkeit der Erziehungsgewalt der Für- 
sorger zu. 
Ueber die sittliche Verwahrlosung eines Kindes kann nun 
naturgemäss nur das Sittengesetz entscheiden. Zwar entbehrt 
das Sittengesetz jener Bestimmtheit und Festigkeit, welche das 
geschriebene Recht auszeichnen; aber dieser Mangel macht hier, 
wo es sich um Kinder unter 12 Jahren handelt, kaum besondere 
Schwierigkeiten, da für deren Verhalten doch nur die obersten, 
allgemein gültigen und ihnen selbst schon verständlichen Grund- 
sätze der Moral als Richtschnur dienen können. 
Selbstverständlich kann jedoch nicht jeder Verstoss des 
Kindes gegen ein allgemein gültiges und ihm fassbares Moral- 
gesetz als Symptom sittlicher Verwahrlosung angesehen werden; 
vielmehr ist das Gesammtverhalten des Kindes, seine ganze 
Charakteranlage, seine völlige Widerstandslosigkeit gegen schlechte 
äussere Einflüsse, sein Hang zum Bösen entscheidend. So bildet 
7. B. nicht eine vereinzelte Lüge, wohl aber die Lügenhaftig- 
10) a... 0.8. 19 ££ Vgl. auch Motive z. Entw..e. b. G.-B. zu & 1546 
Bd. IV S. 806 £.
	        
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