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Vormundschaftsgericht die Wahl der anzuwendenden Besserungs-
mittel ohne jede Beschränkung überlässt, so ıst dieses nicht ge-
hindert, ein Kind auf Antrag der Eltern in eine Zwangserziehungs-
anstalt unterbringen zu lassen !6). Ausgeschlossen sind nach $ 57
al. 2 Str.-G.-B. nur solche Anstalten, welche ausschliesslich zur
Verbüssung von Strafen jugendlicher Personen, und ferner nach
$ 8 des Zw.-Erz.-Ges. solche Anstalten, welche zur Detention der
Landstreicher, Bettler und sonstigen im $ 362 Str.-G.-B. bezeich-
neten Personen oder zur Unterbringung von Kranken, Idioten,
Landarmen und Gebrechlichen bestimmt sind !”).
STOELZEL theilt eine Anzahl von Fällen mit, in denen bereits
grossjährige Hauskinder auf Antrag des Vaters nach Einholung
der Allerhöchsten Genehmigung in eine Besserungsanstalt ein-
gesperrt wurden. Die heutige Praxis kennt derartige Fälle über-
haupt nicht mehr, und es erübrigt sich deshalb ein Eingehen auf
die uralte Streitfrage, ob die in den SS 86—89 IL 2 A.L.-R. zuge-
16) Vgl. die Aeusserung des Gesetzesrevisors bei STOELZEI a. a.0. S. 27.
17) Die von WıLutzKky (Note 4 zu $ 28 Vorm.-Ord. u. Note 1 zu $ 16
des Zw.-Erz.-Ges.) gemachte Unterscheidung zwischen reinen Zwangser-
ziehungsanstalten, in welchen auf Grund des Gesetzes vom 13. März 1878
nur Zwangszöglinge, und sog. Rettungshäusern, in welchen auch Waisen
und hilflos verlassene Kinder untergebracht werden, erscheint mir in der
hier fraglichen Beziehung verfehlt. Wenn WırLvrtzkyY die Unter-
bringung in eine reine Zwangserziehungsanstalt darum für unzulässig er-
klärt, weil, wo keine strafbare Handlung vorliege, ein Strafmittel nicht
verhängt werden könne, so beruht dies auf der schon früher zurückge-
wiesenen Auffassung der Zwangserziehung als eines Strafmittels. Ueber-
dies bewegt sich WıLurzkv in einem vitiösen Zirkel, wenn er ausführt,
dass die Unterbringung in eine Zwangserziehungsanstalt „in Ermangelung
anderer gesetzlicher Bestimmungen“ von der vorgängigen Be-
sgehung einer: strafbaren Handlung abhängig, mıthin ein Strafmittel und
als solches nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes vom 13. März
1878 zulässig sei. Nach $ 16 dieses Gesetzes ist eben die zwangsweise
Unterbringung in eine beliebige Erziehungs- oder Besserungsanstalt auch
ohne die Voraussetzung einer verübten Strafthat nicht ausgeschlossen.