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sodann alle zur Feststellung der strafbaren Handlung und der
sittlichen Verwahrlosung desselben erforderlichen Ermittelungen,
insbesondere durch selbstgeleitete Vernehmungen, vorzunehmen
haben.
Die im ordentlichen Processe unerlässliche Zuziehung eines
Protokollführers ist hier nicht vorgeschrieben. Da sie aber
andererseits auch nicht ausgeschlossen ist, wird der Vormund-
schaftsrichter schon um seiner selbst willen, damit ihn nicht
später der Vorwurf eines Irrthums oder Missverständnisses in
Ansehung der protokollirten Thatsachen treffe, sich eines Proto-
kollführers bedienen. Die Zuziehung eines solchen erscheint auch
durch das Interesse der eidlich zu vernehmenden Zeugen geboten,
welche ohne dieselbe in Folge eines Irrthums des Vormundschafts-
richters leichter der Gefahr eines Meineidsprocesses ausgesetzt
sein würden. Dass bei eidlicher Zeugenvernehmung (im Gegen-
satz zur uneidlichen) die Vorschriften der Str.-P.-O. über die
Zuziehung eines Gerichtsschreibers ($$ 166, 185 und 186) unbe-
dingt Anwendung finden müssten, wie THünmeEL°?) behauptet, ist
nicht einzusehen.
IV. Das Gesetz vom 13. März 1878 geht in der Ignorirung
der Vertheidigungsrechte des beschuldigten Kindes so weit, dass
es nicht einmal dessen Vernehmung vorschreibt. Das Kind
kann also für sein ganzes Leben mit dem Makel, ein schweres
Verbrechen verübt zu haben, behaftet werden, ohne gehört zu
sein! Das ist meines Erachtens ein ganz unhaltbarer Rechtszu-
stand, unhaltbar auch schon darum, weil der Vormundschafts-
richter nur durch die persönliche Vernehmung des Kindes einen
richtigen Einblick in dessen Gemüths- und Verstandesleben zu
gewinnen und das Vorhandensein bezw. den Grad seiner sitt-
lichen Verwahrlosung zu beurtheilen vermag.
52) a. a. O. 8. 52 ff.