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ziehungsamt) stattfinden zu lassen, höchst beachtenswerth er-
scheint. Leider enthalten auch AscurotrT’s Vorschläge keine
näheren Andeutungen über den Gang dieses Verfahrens. Die
Vorermittelungen über die Fälle, in denen Verwahrlosung vorliegt,
will Aschrotr in die Hand eines eigens hierzu bestellten Bean-
ten, eines Jugendanwalts, legen, welcher darüber an das Er-
ziehungsamt berichten und demnächst den Verhandlungen des
Erziehungsamtes behufs Vertretung einerseits der Interessen des
Kindes, andererseits des staatlichen Interesses gegenüber den
Eltern beiwohnen soll. Ich kann mich mit einer solchen Einricht-
ung, wenigstens soweit sie die Ermittelung der Verwahrlosungs-
fälle betrifft, nicht befreunden. Diesem Zwecke würde schon die
heutige Organisation genügen®), wenn man die Aufsichtsgewalt
des Waisenrathes, die, abgesehen von Zwangszöglingen, zur Zeit
nur auf bevormundete Kinder sich erstreckt”), auf alle Kinder
eines gewissen Alters nach der Richtung hin ausdehnen wollte,
dass der Waisenrath bei Gefahr von Verwahrlosung einzuschrei-
ten befugt und verpflichtet sei. Eine derartige Ueberwachung
der elterlichen Erziehung durch ein lediglich zur Fürsorge für
die Jugend bestimmtes, oft schon durch die blosse Gemeindemit-
gliedschaft mit den Verhältnissen des Kindes vertrautes Gemeinde-
organ würde bei weitem nicht so viel böses Blut machen wie das
rücksichtslose — und mitunter vielleicht grundlose — Eindringen
in die intimsten Familienbeziehungen Seitens eines eigens hierzu
berufenen, vornehmlich das Interesse des Staates vertretenden
Beamten. Und wenn derselbe Jugendanwalt demnächst die Inter-
essen des Kindes vor dem Erziehungsamte wahrnehmen soll, so
ist seine Stellung nicht sowohl, wie AscHRoTT bemerkt, „eine
ausserordentlich vielseitige‘ als vielmehr eine in sich widerspruchs-
volle; der Jugendanwalt kann nicht gleichsam Staatsanwalt und
Vertheidiger in einer Person sein.
66) S. oben Seite 351 f.
6?) Vgl. WıLutTzKkyY zu $ 53 V.-O. Note 4.