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Man ersieht hieraus, dass die Schaffung eines einheitlichen Zoll-
gebietes nicht lediglich von staatlicher Willkür abhängt, sondern
von natürlichen unabänderlichen Bedingungen in erster Linie be-
einflusst wird.
Kein Land der Erde ist aus diesem Grunde in der Lage,
seine Colonieen mit dem Gebiete des Mutterlandes zu einem Zoll-
gebiete zu vereinigen: keines, ausser Russland. Denn es kann
bei einem Eingehen auf das innere Wesen des Begriffs von
Colonieen nicht bestritten werden, dass alle die ältesten und
neuesten Eroberungen, welche Russland ın Asien gemacht hat und
noch fortwährend macht, genau dem Colonialbesitze der anderen
europäischen Staaten entsprechen. Dieser Charakter wird nur
verschleiert, aber keineswegs ausgeschlossen durch den Umstand,
dass alle diese Ländererwerbungen mit einer Bevölkerung von
untergeordneter Kulturstufe sich unmittelbar an den Landbesitz
des Mutterlandes anschliessen; und andererseits gibt auch gerade
dieser Umstand, der dabei noch die Colonisationsarbeit in ausser-
ordentlichem Maasse erleichtert, dem sich dadurch immer mehr
ausdehnenden Zollgebiet des Mutterlandes eine innere wirth-
schaftliche Kraft, die, wenn sie auch vielleicht noch auf lange
hinaus eine latente bleibt, diesem eine unbestreitbare Ueberlegen-
heit über alle andern nicht natürlich auszudehnenden Zoll-
gebiete giebt.?®)
Wenn also aber die anderen Länder mit Colonialbesitz diesen
Vortheil entbehren müssen, so liegt doch auf der Hand, welche
Vortheile der Handel des Mutterlandes mit den Colonieen dadurch
haben kann, dass die Handhabung des Zollrechts in diesen einen
24) So hat sich Russland z. B. von der Einfuhr des Ungarweines durch
die Pflege des diesem im Charakter ähnlichen kaukasischen Weines fast unab-
hängig machen können, dem sich dann der Weinbau in der Krim und der
südlichen Tartarei, ja selbst in Süd-Sibirien mit ähnlichem Erfolg an-
schloss.