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im engeren Rathe, in dem an und für sich die einfache Mehr-
heit entschied *). Die Bundesversammlung besass ferner ein be-
sonderes Bureau in der von der österreichischen Gesandschafts-
kanzlei verschiedenen Bundeskanzlei, deren Beamte auf Vorschlag
des Präsidiums von dem Bundestage ernannt wurden und über
welche dem Präsidium die Dienstaufsicht zustand). Beide Prä-
sidialbefugnisse, obwohl über die Sphäre rein formeller Functionen
hinausreichend, waren doch von geringer Bedeutung. Denn der
Stichentscheid bei Stimmengleichheit, die an und für sich nicht allzu
häufig vorkam, beschränkte sich auf den engeren Rath, und die
Bundeskanzlei war thatsächlich nichts anderes als das Bureau
des Bundestages. Die Stellung des Präsidiums zur Bundeskanzlei
ist jedoch historisch um deswillen wichtig, weil an die Umgestalt-
ung der Bundeskanzlei durch die norddeutsche Bundesverfassung
sich eine vollständige Veränderung in dem Charakter des Präsi-
diums anknüpft.
Lediglich für den Fall des Krieges besass der deutsche Bund
auch einen von der Bundesversammlung zu wählenden Bundes-
feldherrn, der jener persönlich verantwortlich war ’$).
Der preussische Entwurf zur Bundesreform vom 10. Juni 1866 °)
sprach sich, abgesehen von der in Aussicht genommenen Bildung
einer Nationalvertretung, über die Organisation der Bundesgewalt
überhaupt nicht aus, liess also die bisherige Verfassung des
Bundestages und die Stellung des Präsidiums in demselben unbe-
rührt. Da jedoch nach dem Entwurfe die österreichischen Landes-
theile aus dem Bunde ausscheiden sollten, so verstand es sich
4) Art. 7 der Bundesacte.
5) Revidirte Geschäftsordnung vom 16. Juni 1854 s 3l.
6) Beschluss der Bundesversammlung, sog. organisches Bundesgesetz,
vom 9. April 1821 Art.13 fi. Bekanntlich ist es zur Bestellung eines Bundes-
feldherrn während des Bestehens des deutschen Bundes niemals gekommen.
?) Abgedruckt bei L. Hann, Zwei Jahre preussisch - deutscher Folitik,
1866—1867, Berlin 1868, S. 121 E.