Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achter Band. (8)

— 29 — 
von selbst, dass die Präsidialbefugnisse auf Preussen übergegangen 
wären. Vollständig unabhängig von den Präsidialbefugnissen 
wurden jedoch Preussen bezw. Bayern zwei weitere Rechte inner- 
halb des Bundes eingeräumt. Einmal sollte das Bundesoberfeldherrn- 
amt vom Bundestage unabhängig und zu einer ständigen Eın- 
richtung des Bundes auch in Friedenszeiten gemacht werden, in- 
dem unter Eintheilung der Landmacht des Bundes in eine Nord- 
armee und in eine Südarmee der König von Preussen Bundes- 
oberfeldherr der ersteren, der König von Bayern Bundesoberfeld- 
herr der letzteren geworden wäre. Ausserdem war für den König 
von Preussen der Oberbefehl über die Marine vorbehalten. Wäre 
dieser Entwurf zur Durchführung gelangt, so hätte der König 
von Preussen als solcher im Bunde drei verschiedene Befugnisse 
besessen, die im wesentlichen nur formellen Präsidialrechte im 
Bundestage, das Bundesoberfeldherrnamt über die Nordarmee 
und den Öberbefehl über die Marine. Diese drei verschiedenen 
Rechte standen staatsrechtlich unter einander in überhaupt keinem 
7usammenhange, politisch nur insofern, als sie sämmtlich Befug- 
nisse des grössten deutschen Staates gegenüber den anderen 
deutschen Staaten gewesen wären. 
Als man nun daran ging, nach Beendigung des Krieges 
Norddeutschland auf Grund der preussischen Reformvorschläge 
vom Juni 1866 politisch zu konstituiren, hatte sich inzwischen die 
politische Lage vollständig verändert®.. Es galt nicht mehr, 
einen Gross-Staat und eine Anzahl von Mittel- und Kleinstaaten, 
die sich beide an Gebietsumfang und Einwohnerzahl ungefähr 
das Gleichgewicht hielten, in einer bundesstaatlichen Verfassung 
zu verbinden, sondern in dem norddeutschen Bunde standen den 
nunmehr 24 Millionen Preussen nur 6 Millionen Nichtpreussen 
gegenüber. Es konnte in der That ernsthaft die Frage aufge- 
8) Vgl. hierüber und über das folgende HÄner, Studien zum deutschen 
Staatsrechte, II. Die organisatorische Entwicklung der deutschen Reichsver- 
fassung, Leipzig 1880, S. 9 ff. 
Archiv für öffentliches Recht. VII, 2. 3. 28
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.