fullscreen: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

— 1909 — 
Kürze der Bezeichnung wegen den alten, etwas völlig Anderes 
bedeutenden Namen „Referendum“ auf die moderne Volks- 
abstimmung übertragen hat. 
Es mag für die Leser dieser Zeitschrift, welche mit den 
historischen Verhältnissen der Schweiz nicht näher vertraut sind, 
noch von Interesse sein, im Anschluss an diese genealogische Aus- 
einandersetzung über das ältere und eigentliche Referendum noch 
zu erfahren, dass ähnliche Volksanfragen und Abstimmungen 
vom 15. bis zum 17. Jahrhundert auch in den bedeutenderen, in 
arıstokratischer Form von städtischen Körperschaften regierten 
Ständen der Eidgenossenschaft vorgekommen sind. Ganz beson- 
ders war diess der Fall in Zürich und Bern. Doch waren 
hier diese Abstimmungen kein constitutionelles Recht der ab- 
hängigen, von der Stadt aus regierten Landschaft (oder es blieb 
wenigstens bei den ersten Versuchen, es zu einem solchen aus- 
zubilden), sondern es war lediglich Sache der Politik dieser 
Regierungen sich in wichtigeren Angelegenheiten des guten Willens 
der gesammten Bevölkerung zu versichern, vielleicht auch mit- 
unter die Verantwortlichkeit für folgenreiche Schritte einiger- 
massen von sich abzulehnen. 
Die erste dieser Volksanfragen in Bern erfolgte, soweit 
bekannt, im Jahre 1449 über die Frage, ob man zum Zwecke 
der Tilgung von Kriegsschulden sich eine auf eine wöchentliche 
Abgabe von 1 Angster berechnete Kopfsteuer auferlegen wolle; 
die letzte ist vom Jahre 1610 und betrifft ebenfalls eine Kriegs- 
steuer. Sehr viele dieser Anfragen beziehen sich auf Fragen der 
grossen auswärtigen Politik. So 1475 Kriegszug zum Schutz von 
Strassburg, 1476 Antrag an die eidgenössische Tagsatzung gegen 
den Herzog von Burgund angrifisweise vorzugehen, 1477 Rück- 
berufung der Freischaaren aus Burgund und KNeutralitätsfrage 
gegenüber Frankreich, 1495 Frage über Eintritt in die Händel 
zwischen Frankreich und Mailand, 1496 und 1499 Verbündung 
mit Frankreich, Betheiligung an dem Schwabenkrieg, 1508 und 
1509 Neutralität gegenüber Frankreich und Deutschland, 1511 
friedlicher Vergleich mit Savoyen, 1512 und 1513 der grosse 
Auszug nach Italien gegen Ludwig XII. von Frankreich und 
der Friede von Dijon, 1515 und 1516 der ewige Frieden mit
	        
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